Nach den jüngsten Enthüllungen rund um den US-Konzern Facebook hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) eine strenge Regulierung von Online-Netzwerken verlangt. Es sei sichtbar geworden, „dass Appelle an Verantwortungsbewusstsein und Selbstregulierung des Netzwerks nichts fruchten und Profitinteressen im Zweifel über gesellschaftliche Verantwortung gestellt werden“, sagte Lambrecht den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Donnerstag. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sieht sich darin bestärkt, das US-Onlinenetzwerk stärker zu regulieren.
Es sei „wichtig, Facebook & Co. Zügel anzulegen und diese stramm anzuziehen“, fuhr Lambrecht fort. Sie bezog sich vor allem auf Äußerungen der früheren Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen. Sie hatte dem Konzern vorgeworfen, Profitinteressen systematisch über die Sicherheit seiner Nutzerinnen und Nutzer zu stellen und damit vor allem Kindern zu schaden und die Gesellschaft zu spalten. Auch Haugen forderte eine strenge Regulierung des Online-Riesen.
Lambrecht sagte dazu, die Enthüllungen „belegen, wie dringend wir in Europa eine starke und wirkungsvolle Regulierung sozialer Netzwerke brauchen“. In einem geeinten Europa betreffe es „uns alle, wenn soziale Netzwerke mit ihren Algorithmen Hass und Hetze verstärken sowie politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen fördern“. Sie verwies dabei auch auf die enorme Marktmacht großer Technologiefirmen.
Pläne der EU-Kommission, der sogenannte Digital Services Act, sehen unter anderem besondere Sorgfaltspflichten für sehr große Online-Plattformen vor, etwa regelmäßige Risikobewertungen und mehr Transparenz. Der Gesetzentwurf gehe jedoch nicht weit genug, sagte Lambrecht.
Eine „Wurzel des Übels“ sei auch, dass die Plattformen mit personalisierter Werbung arbeiteten, sagte die Ministerin den RND-Zeitungen weiter. „Wir wollen, dass die Nutzerinnen und Nutzer die Dienste auch ohne personalisierte Werbung nutzen können und dass personalisierte Werbung gegenüber Minderjährigen verboten ist.“ Für strafbare Hetze seien verpflichtende Regeln mit kurzen Reaktionsfristen nötig – und in schweren Fällen auch Meldepflichten an die Strafverfolgungsbehörden.
EU-Kommissar Breton sieht sich in der Arbeit der Behörde bestätigt. Es sei nach Haugens Enthüllungen nun „wirklich dringend“, das Vorhaben in Gesetze zu gießen und es „nicht abzuschwächen“, sagte er in Brüssel.
Breton hatte im Dezember zwei Entwürfe vorgelegt, die missbräuchliche Praktiken von Onlinenetzwerken verhindern sollen. Das Europaparlament und der Rat der 27 EU-Mitgliedstaaten beraten derzeit über die Vorlagen.
Breton ließ sich in einem Gespräch mit der früheren Facebook-Mitarbeiterin Haugen ihre Vorwürfe gegen den US-Konzern schildern. Sie habe ihm „ihre Perspektive, insbesondere in Fragen von Transparenz, Daten und Algorithmen“ dargelegt, sagte der EU-Kommissar. Dies habe ihn darin bestärkt, Lobbyarbeit für eine Aufweichung der Vorlagen nicht nachzugeben.
Quelle: AFP