Begleitet von Aufrufen zu Disziplin und Gemeinsinn ist der neue harte Corona-Lockdown für ganz Deutschland in Kraft getreten. Seit Mittwoch muss ein Großteil der Geschäfte geschlossen bleiben. Auch die Schulen machten dicht, in Kitas gibt es nur noch Notbetreuung. Parallel zum Inkrafttreten der Maßnahmen wurde ein neuer Höchststand bei den Corona-Toten verzeichnet: Das Robert Koch-Institut (RKI) zählte 952 Verstorbene binnen 24 Stunden.
Damit wurde der vorherige Rekord von 598 Todesfällen, der am vergangenen Freitag registriert worden war, deutlich übertroffen. Die Gesamtzahl der verzeichneten Todesfälle in Deutschland seit Beginn der Pandemie stieg auf 23.427. Auch die Zahl der Neuinfektionen ist weiterhin sehr hoch: Laut RKI waren es 27.728 neue Fälle binnen 24 Stunden. Der Rekordwert liegt bei 29.875 Ansteckungen und stammt ebenfalls vom Freitag.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Dienstag sehr besorgt über die Entwicklung der Infektionszahlen gezeigt. In einer Sitzung der Unionsfraktion wies sie auf die hohe Zahl der Einkaufenden in den Tagen vor dem Lockdown hin, wie die Nachrichtenagentur AFP von Teilnehmern erfuhr. Sie hoffe, “dass das Einkaufsverhalten jetzt am Montag und Dienstag uns nicht nach hinten wirft”, wurde die Kanzlerin zitiert.
Den harten Lockdown hatten Merkel und die Länderchefs am Sonntag beschlossen. Die Maßnahmen sind vorerst bis zum 10. Januar befristet. Voraussichtlich am 5. Januar wollen Bund und Länder darüber beraten, ob die rigorosen Restriktionen möglicherweise verlängert werden.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte, dass der harte Lockdown so lange nötig sei, bis die Zahl der Neuinfektionen deutlich sinke. “Wir müssen so lange durchhalten, bis das Ziel erreicht ist, die Inzidenzen signifikant zu senken”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es gehe um die Verhinderung eines “nationalen Gesundheitsnotstands”.
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery erwartet, dass der harte Lockdown über den 10. Januar hinaus verlängert wird. Modellrechnungen zeigten, dass die strikten Maßnahmen die Zahl der Neuinfektionen frühestens ab Ende Januar bundesweit unter den Wert von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen drücken werden, sagte er der Funke Mediengruppe. Montgomery erwartet zudem, dass es noch bis Ostern verschiedene Lockdown-Maßnahmen in Deutschland geben wird.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) appellierte an den Gemeinsinn der Bürger. “Es geht jetzt nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung”, sagte sie dem RND. “Und ich hoffe, dass wir alle miteinander solidarisch und verständnisvoll sind, um die Krise zu bewältigen.”
Laut einer Forsa-Umfrage befürwortet eine klare Mehrheit der Bundesbürger die harten Maßnahmen. 63 Prozent der Befragten halten sie für angebracht, wie das RND berichtete. 22 Prozent meinen demnach sogar, sie hätten noch strenger sein müssen.
Der harte Lockdown wird das öffentliche Leben in Deutschland in weiten Teilen lahmlegen. Generell bleibt der Einzelhandel geschlossen. Ausnahmen gelten etwa für Lebensmittelmärkte, Abhol- und Lieferdienste auch der Gastronomie, Apotheken, Drogerien, Optiker, Tankstellen, Autowerkstätten, Banken, Post, Reinigungen und Weihnachtsbaumhändler. Im öffentlichen Raum gilt ein striktes Alkoholverbot.
Ein Lichtblick in der Krise ist allerdings, dass die europäische Arzneimittelbehörde EMA kurz vor den neuen Restriktionen ankündigte, schon am Montag über die Zulassung des Biontech-Pfizer-Impfstoffs zu entscheiden – acht Tage früher als bislang geplant.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Bürgern nach einer Corona-Impfung die Möglichkeit geben, per App mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen schnell zu melden. “Wir werden das sehr, sehr transparent machen, über alles informieren und alles sofort darstellen, was es an zusätzlichen Informationen gibt, bei der Zulassung und auch danach”, sagte Spahn in der ARD.
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