Der britische Premierminister Boris Johnson berät in Brüssel über eine Lösung für die festgefahrenen Verhandlungen über ein Handelsabkommen nach dem Brexit. Johnson traf am Mittwoch zu einem Abendessen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein. Sie begrüßte ihn im Hauptgebäude der EU-Kommission, vor dem die britische Flagge gehisst wurde.
“Ein gutes Abkommen ist noch immer möglich”, sagte Johnson vor seiner Abreise in London. Er forderte aber gleichzeitig Kompromissbereitschaft bei den EU-Standards. Die EU bestehe derzeit darauf, dass Großbritannien ihre neuen Gesetze und Regelungen übernehme, sagte er. Ansonsten wolle sie “automatisch das Recht (….), uns zu bestrafen und zurückzuschlagen”. Dies könne London nicht akzeptieren.
Wie lange die Beratungen beim Abendessen dauern würden, war offen. Für ein Foto nahmen beide bei Johnsons Ankunft kurz ihre Corona-Schutzmasken ab.
Von der Leyen wies den Premier aber an, den nötigen Sicherheitsabstand zu halten. “Gut, sollen wir sie wieder aufsetzen”, sagte von der Leyen dann. “Meinen Sie, sie sofort wieder aufsetzen?”, fragte Johnson zurück. “Ok, stimmt, ok, Sie führen hier ein strenges Regiment – aber auch zurecht.”
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, doch bleibt das Land noch bis Jahresende im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In der Übergangsphase ist es bisher nicht gelungen, ein Post-Brexit-Handelsabkommen auszuhandeln. Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen sind nach wie vor faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Vormittag zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten der Gespräche gezeigt: “Es gibt nach wie vor die Chance eines Abkommens, wir arbeiten weiter daran”, sagte sie im Bundestag. Die EU sei aber bei nicht zu akzeptierenden Bedingungen von britischer Seite auch darauf vorbereitet, einen “Weg ohne Austrittsabkommen” zu gehen.
Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann nicht nur mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr, sondern auch mit Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen.
Vor dem Spitzentreffen in Brüssel hatten beide Seiten am Dienstag einen wichtigen Streitpunkt zu Nordirland ausgeräumt. Demnach verzichtet London darauf, einseitige Änderungen am bereits geltenden Brexit-Vertrag in diesem Bereich vorzunehmen. EU-Vize-Kommissionspräsident Maros Sefcovic hatte dies als möglichen “positiven Impuls” für die Handelsgespräche bezeichnet.
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