Zwei Tage nach Gewaltdrohungen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gegen regierungskritische Demonstranten hat die Polizei am Sonntag einen Protestmarsch mit Warnschüssen aufgelöst. Sicherheitskräfte gaben Schüsse in die Luft ab und verfolgten Demonstranten, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Zuvor waren rund 10.000 Menschen am Stadtrand von Minsk zu einer Gedenkstätte für die Opfer der Stalin-Zeit marschiert. Die Nichtregierungsorganisation Wjasna sprach von mehr als 120 Festnahmen.
Auf Online-Netzwerken verbreitete Videos zeigten, wie die Polizei in Minsk mit gepanzerten Geländefahrzeugen mit Maschinengewehren auf dem Dach auffuhr. Trotz der Gewalt durch die Sicherheitskräfte gelang es vielen Demonstranten, die Gedenkstätte zu erreichen und die weiß-roten Flaggen der Opposition zu entrollen.
Machthaber Lukaschenko hatte am Freitag ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten bei regierungskritischen Protesten angekündigt. Die Regierung werde “keine Gefangenen machen”, sagte er. Wer seine Hand gegen Polizeibeamten erhebe, solle “mindestens seine Hände verlieren”.
In einer Ansprache am Sonntag machte die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja ihren Unterstützern weiter Mut. Doch viele Oppositionsanhänger fühlten sich sowohl vom Westen als auch von Tichanowskaja, die sich im Exil in Litauen aufhält, “im Stich gelassen”, sagte der 51-jährige Ingenieur Jakow. Die Belarussen seien “sehr müde”. Er wünschte sich von der Opposition “entschiedenere Aktionen”.
In Belarus gibt es seit der von Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl im August Massenproteste. Die Behörden gehen immer wieder gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor, tausende Aktivisten wurden bereits festgenommen. Die Situation befindet sich in einer Sackgasse: Der von Moskau unterstützte Lukaschenko weigert sich zu gehen, während es der Opposition nicht gelingt, seine Absetzung zu erzwingen.
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