Der linksgerichtete Politiker Luis Arce hat laut Prognosen die Präsidentschaftswahl in Bolivien bereits im ersten Anlauf gewonnen. Einer nach dem Urnengang am Sonntag veröffentlichten Nachwahlbefragung des Fernsehsenders Unitel zufolge kommt Arce auf 52,4 Prozent der Stimmen und liegt damit weit vor seinem Hauptrivalen, dem konservativen Ex-Präsidenten Carlos Mesa mit 31,5 Prozent. Damit kehrt die Linke in dem südamerikanischen Land nach einem Jahr der Übergangsregierung unter der Konservativen Jeanine Áñez voraussichtlich wieder an die Macht zurück.
Der 57-jährige Kandidat der Bewegung für den Sozialismus (MAS) ist ein Schützling von Boliviens Ex-Präsident Evo Morales und hatte auch vor der Wahl in Umfragen deutlich vor Mesa gelegen. Doch war allgemein mit einer Stichwahl gerechnet worden. Auch eine Nachwahlbefragung der Stiftung Jublieo sah Arce bei rund 53 Prozent, also klar über den erforderlichen 50 Prozent.
Morales war vor rund einem Jahr nach einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wiederwahl angesichts von Massenprotesten und unter dem Druck der Armee abgetreten. Er hatte als erster indigener Präsident Lateinamerikas Bolivien 13 Jahre lang regiert. Mittlerweile lebt er in Argentinien im Exil. Für den Fall eines Wahlsiegs des von ihm favorisierten Kandidaten hatte der 60-Jährige allerdings seine Rückkehr nach Bolivien angekündigt.
Übergangspräsidentin Áñez, die nach Kritik an ihrem Corona-Krisenmanagement ihre Kandidatur vor einem Monat wieder zurückzog, gratulierte Arce und seinem Stellvertreter David Choquehuanca zu ihrem mutmaßlichen Erfolg. Zwar lägen noch keine amtlichen Zahlen vor, doch nach den vorliegenden Daten sähe alles nach ihrem Sieg aus, erklärte die erbitterte MAS-Gegnerin auf Twitter und fügte hinzu: Sie hoffe, Arce und Choquehuanca “werden im Sinne Boliviens und der Demokratie” regieren.
Tatsächlich könnte es noch Tage dauern, bis das amtliche Endergebnis vorliegt – bis Montagmorgen waren weniger als acht Prozent der abgegebenen Stimmen ausgezählt. Wegen der Corona-Pandemie war der Urnengang bereits zwei Mal verschoben worden. In Bolivien herrscht für bis zu 60-Jährige Wahlpflicht.
In einer ersten Reaktion auf die Prognose dankte Arce dem “bolivianischen Volk für seine Unterstützung und sein Vertrauen”. “Wir haben die Demokratie wiederhergestellt, und wir werden Stabilität und sozialen Frieden zurückgewinnen”, erklärte der ehemalige Wirtschaftsminister. Derzeit durchlebt Bolivien eine seiner schwersten Wirtschaftskrisen seit 40 Jahren, für dieses Jahr wird mit einem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts um 6,2 Prozent gerechnet.
Auch Morales beanspruchte den Sieg für seine Partei. Arce werde Bolivien “auf den Pfad des Wirtschaftswachstums zurückführen”, erklärte er auf einer Pressekonferenz in Buenos Aires. Die 7,3 Millionen Wahlberechtigten bestimmten parallel zur Präsidentenwahl auch die beiden Kammern des Kongresses neu, in denen derzeit die MAS die Mehrheit hat.
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