Nächtliche Ausgangssperre in Belgien, Sperrstunde in Italien, strengere Obergrenzen in Österreich – wegen rasant steigender Corona-Fallzahlen sehen sich immer mehr europäische Länder zum Handeln gezwungen. Die Schweiz etwa führte am Montag eine Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und Beschränkungen für Menschenansammlungen ein. In Warschau werden wegen überlasteter Krankenhäuser Teile des Nationalstadions in ein Corona-Lazarett umfunktioniert.
Europaweit wurden mittlerweile bereits rund 7,4 Millionen Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus nachgewiesen. Am Sonntag überstieg die Zahl der Corona-Toten auf dem Kontinent die Marke von 250.000 Fällen, wie die Nachrichtenagentur AFP auf Grundlage von Behördenangaben errechnete.
Viele europäische Länder, darunter Deutschland, kämpfen derzeit mit einer zweiten Welle der Pandemie. In der vergangenen Woche schoss die Zahl der Neuinfektionen in Europa um 44 Prozent in die Höhe. Einen erneuten Lockdown und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden wollen die Regierungen aber mit aller Kraft vermeiden.
In Österreich wird daher ab Freitag die Teilnehmerzahl bei öffentlichen Veranstaltungen weiter begrenzt: Unter freiem Himmel dürfen dann statt bisher 3000 maximal 1500 Menschen zusammenkommen, in Innenräumen gilt eine Obergrenze von 1000 Teilnehmern. Für die Großveranstaltungen gilt eine Maskenpflicht und ein Bewirtungsverbot.
Bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze dürfen laut österreichischer Nachrichtenagentur APA künftig in Innenräumen höchstens sechs Menschen zusammenkommen und draußen maximal zwölf. Bei höheren Teilnehmerzahlen muss die Veranstaltung den Behörden gemeldet werden.
“Das betrifft das Restaurant genauso wie den Yoga-Kurs”, sagte Kanzler Sebastian Kurz laut APA. Er warb für einen kollektiven “Kraftakt” im Kampf gegen die Pandemie: “Je besser wir zusammenhalten, je besser jeder einzelne mitmacht, desto besser werden wir durch die Situation kommen.”
Wie am Wochenende in Paris und acht weiteren französischen Städten trat am Montag in Belgien eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Zwischen Mitternacht und 05.00 Uhr morgens müssen die Menschen daheim bleiben. Ab 20.00 Uhr ist außerdem der Verkauf von Alkohol verboten.
Landesweit müssen alle Cafés und Restaurants für mindestens vier Wochen schließen. Die Bürger in Belgien dürfen nur noch mit maximal einem Menschen außerhalb ihres Haushalts engen Kontakt ohne Maske haben.
Belgiens Regierungschef Alexander De Croo hatte die Maßnahmen am Freitag nach einer Krisensitzung seines Kabinetts angekündigt, um nach seinen Worten “das Schlimmste zu verhindern”. Wegen der exponenziellen Corona-Ausbreitung müsse Heimarbeit nun “zur Norm” werden. Mit mehr als 10.000 Corona-Toten bei 11,5 Millionen Einwohnern gehört Belgien zu den am schwersten von der Pandemie betroffenen Ländern Europas. Die Krankenhäuser des Landes stehen kurz vor einer Überlastung.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte verkündete am Sonntag eine Sperrstunde ab Mitternacht für Bars und Restaurants. Maximal sechs Gäste dürften noch pro Tisch in den Lokalen sitzen. Ab 18.00 Uhr werden keine stehenden Gäste mehr bedient.
Die Schweizer Regierung beschloss am Sonntag eine Maskenpflicht in geschlossenen öffentlichen Räumen wie Geschäften und Lokalen. Außerdem gelten seit Montag Beschränkungen für private Feiern und öffentliche Versammlungen mit mehr als 15 Menschen. Ziel sei es, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, erklärte die Regierung in Bern. Als erster Kanton untersagte Bern wieder Versammlungen mit mehr als 1000 Menschen.
Die polnische Regierung verfügte wegen steigender Fallzahlen und überlasteter Krankenhäuser, Teile des Nationalstadions in Warschau zu einem Corona-Lazarett umzufunktionieren. Ab Ende der Woche sollen dort rund 500 Betten, davon 50 Intensivbetten, für Covid-19-Patienten bereitstehen.
In Israel, Saudi-Arabien und Australien wurden die Corona-Beschränkungen derweil gelockert. Weltweit wurden mittlerweile mehr als 40 Millionen Corona-Infektionen nachgewiesen, mehr als die Hälfte davon in den USA, Indien und Brasilien. Mehr als 1,11 Millionen Infizierte starben.
© Agence France-Presse