Kirgistans umstrittener Präsident Sooronbai Dscheenbekow hat sich unter bestimmten Voraussetzungen zum Rücktritt bereit erklärt. Er sei zum Amtsverzicht bereit, “sobald die legitimen Exekutivbehörden bestätigt wurden” und ein Termin für Neuwahlen fest stehe, sagte Dscheenbekow in einer Freitagfrüh veröffentlichten Rede. Nach der Parlamentswahl am Sonntag hatte es in Kirgistan gewalttätige Proteste gegeben, Dscheenbekows inhaftierter Amtsvorgänger Alsambek Atambajew wurde aus dem Gefängnis befreit.
Seit Beginn der Unruhen in Kirgistan am Montag war Dscheenbekow nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nun wandte er sich in einer auf der Präsidenten-Website veröffentlichten Ansprache an die Kirgisen. “Ich bin bereit, das Präsidentenamt der kirgisischen Republik abzugeben, sobald die legitimen Exekutivbehörden bestätigt wurden und wir wieder auf dem Pfad der Legalität zurück sind”, sagte der Präsident. Der Rechtsstaat müsse “so schnell wie möglich” wiederhergestellt werden.
Wenige Stunden zuvor hatte Dcheenbekows Büro noch erklärt, ein Rücktritt des Präsidenten habe bei dessen Gesprächen mit politischen Führern des zentralasiatischen Landes nicht zur Debatte gestanden. Bei einer Parlamentsabstimmung am Mittwoch war nicht die nötige Mehrheit für Dscheenbekows Absetzung zustande gekommen.
Sollte Dscheenbekow nun zurücktreten, wäre er bereits der dritte kirgisische Staatschef seit 2005, der wegen politischer Unruhen sein Amt verliert. Ob seine Bedingungen für seinen Rücktritt akzeptiert und erfüllt werden, war zunächst unklar. Unterschiedliche politische Kräfte planten für Freitag erneute Proteste.
Die mächtige kirgisische Sicherheitsbehörde GKNB forderte laut russischer Nachrichtenagentur RIA Nowosti die politischen Kräfte des Landes im Namen aller Sicherheitsbehörden und der Armee auf, “sich an den Verhandlungstisch zu setzen und den Frieden in Legalität wiederherzustellen”.
Die Regionalmacht Russland, die in der Ex-Sowjetrepublik Kirgistan einen Armeestützpunkt unterhält, sprach der GKNB ihre Unterstützung bei ihren Bemühungen auf, “die Lage zu stabilisieren und Chaos zu vermelden”, wie der Kreml erklärte. Der Chef des russischen Geheimdienstes FSB sprach dazu mit dem neuen GKNB-Chef, dem Politiker Omurbek Suwanalijew, der den Führungsposten im Zuge der Unruhen im Land für sich beansprucht hatte. Seine Behörde schloss Kirgistans Grenzen.
Nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl vom Sonntag hatte es Massenproteste in Kirgistan gegeben, bei denen sich einige Demonstranten gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. Mindestens ein Mensch starb, mehr als 600 weitere wurden verletzt.
Dscheenbekows Gegnern gelang es in der Nacht zum Dienstag, dessen wegen Korruption inhaftierten Amtsvorgänger Alsambek Atambajew aus dem Gefängnis zu befreien. Dscheenbekow versicherte dennoch, die Lage unter Kontrolle zu haben. Atambajews Festnahme im August 2019 hatte heftige Ausschreitungen in Kirgistan ausgelöst, seine Anhänger halten die Korruptionsvorwürfe für politisch motiviert.
Der Dscheenbekow nahestehende Ministerpräsident Kubatbek Boronow trat am Dienstag zurück. Er wurde durch den von Demonstranten ebenfalls aus dem Gefängnis befreiten nationalistischen Politiker Sadyr Schaparow ersetzt, der wegen Geiselnahme zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilte worden war.
Die Wahlkommission des Landes annullierte unter dem Eindruck der Proteste das Wahlergebnis, wonach vier Parteien den Einzug ins Parlament schafften, von denen drei Präsident Dscheenbekow nahestehen. Die Opposition geht von Wahlbetrug des Präsidenten aus. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von “glaubwürdigen” Berichten über Stimmenkauf.
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