Mehr als 600 Delegierte sind am Samstag zu einem eintägigen Bundesparteitag der FDP in Berlin zusammengekommen. Wichtigste Personalentscheidung ist die Wahl eines neuen Generalsekretärs. Auf Vorschlag von Parteichef Christian Lindner bewirbt sich der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing für den Posten. Die erst im vergangenen Jahr gewählte Generalsekretärin Linda Teuteberg hatte auf Lindners Druck hin ihren Posten zur Verfügung gestellt.
Der Parteitag findet unter dem Eindruck schwacher Umfragewerte statt. FDP-Vizechefin Nicola Beer rief die Delegierten zur Eröffnung des Treffen dazu auf, offensiv die Haltungen der FDP zu vertreten – “auch wenn wir keinen Rückenwind haben, auch wenn uns die Krise ins Gesicht weht”. Nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr strebe die FDP wieder Regierungsverantwortung an: “Den Handlungsauftrag für die Gestaltung der Politik in diesem Land wollen wir uns 2021 zurückerobern”, sagte Beer unter dem Applaus der Delegierten.
Der Parteitag steht unter dem Motto “Mission Aufbruch”. In Umfragen rangieren die Liberalen derzeit zwischen fünf und sieben Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 waren sie noch auf 10,7 Prozent der Stimmen gekommen.
Die Liberalen wollen auf dem Parteitag weitere Spitzenämter neu besetzen. Neuer Schatzmeister soll der Unternehmer Harald Christ werden, der erst im Frühjahr von der SPD zu den Liberalen gewechselt war. Zudem sollen die Delegierten die Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger und die sachsen-anhaltinische Landespolitikerin Lydia Hüskens ins Präsidium wählen.
Das Delegiertentreffen in Berlin findet unter strengen Hygienevorkehrungen statt – es ist der erste Präsenz-Parteitag einer Bundestagspartei seit Beginn der Corona-Pandemie. Am Tagungsort im Berliner Estrel-Hotel bekommt jeder Teilnehmer einen festen Sitzplatz zugewiesen, der Mundschutz darf nur am Sitzplatz abgenommen werden, Hygiene-Scouts kontrollieren die Beachtung der Corona-Vorschriften.
Auch inhaltlich spielt die Pandemie eine Rolle: Den Delegierten liegt ein Leitantrag der Parteiführung vor, der sich mit den Folgen der Corona-Krise befasst. Er trägt den Titel “Aufbruch vom Jahr der Krisen ins Jahrzehnt des Aufstiegs”. Darin geht es um die Sicherung von Arbeitsplätzen, um bessere Bildung und Aufstiegschancen.
Mit ihrem großen Konjunkturprogramm vom Juni habe die Koalition “falsche Prioritäten” gesetzt, heißt es in dem Antrag. Die Liberalen kritisieren darin “teure und nicht konsistente Einzelmaßnahmen anstelle von langfristig wirksamen Entlastungen, Strukturreformen und Zukunftsinvestitionen”.
Die FDP fordert in dem Antrag unter anderem ein “Jump-Programm für Arbeitsplätze”. Dafür solle der Staat befristet auf sechs Monate bei allen Neueinstellungen von Azubis und Beschäftigten die Sozialversicherungskosten übernehmen.
Im bildungspolitischen Teil fordern die Liberalen eine “Unterrichtspflicht für den Staat”: Es dürfe nie mehr vorkommen, dass wegen einer Pandemie der Unterricht ersatzlos gestrichen wird.
In der Steuerpolitik drängt die FDP auf eine Entlastung der “arbeitenden Mitte”: Der Spitzensteuersatz solle künftig erst bei einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro gelten.
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