Mehr als die Hälfte der rund 13.000 Bewohner des abgebrannten Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos sind inzwischen in dem eilig errichteten Übergangslager untergebracht worden. Rund 7000 Menschen seien mittlerweile in dem neuen Camp, sagte ein Sprecher des griechischen Migrationsministeriums am Freitag. Demnach wurden 174 von ihnen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet. Die UNO warnte unterdessen davor, die Migranten langfristig in dem Zeltlager unterzubringen.
Nach den Bränden im Lager Moria in der vergangenen Woche schliefen tausende Flüchtlinge auf Lesbos am Straßenrand, auf Parkplätzen und sogar auf einem Friedhof unter notdürftig errichteten Schutzdächern oder in Campingzelten. Die griechischen Behörden begannen am Samstag mit UN-Unterstützung mit der Errichtung eines neuen Lagers. Dort sollen nach Behördenangaben auch die Asylverfahren für die Migranten wieder aufgenommen werden.
Viele Flüchtlinge weigerten sich aber, in das neue Camp zu gehen, weil sie fürchten, dort erneut monatelang festzusitzen. Polizisten waren ab Donnerstagmorgen von Schlafplatz zu Schlafplatz gegangen, um die campierenden, obdachlosen Menschen zu wecken und sie in das Notcamp zu bringen. Am Freitag warteten hunderte Asylsuchende auf Einlass, darunter auch Kinder und ältere Menschen.
Auf dem neuen Gelände wurden tausend Zelte errichtet, die jeweils Platz für acht bis zehn Menschen bieten. Medizinische Versorgungsstationen sollen noch hinzukommen, zudem sind zwei Quarantänezonen geplant. Alle Neuankömmlinge werden nach Behördenangaben einem Corona-Test unterzogen. Die Überreste von Moria wurden am Freitag von Baggern abgerissen.
Viele Einwohner von Lesbos wehren sich gegen das neue Lager und fordern, dass die Flüchtlinge nach den jahrelangen, katastrophalen Zuständen im Lager Moria nun andernorts untergebracht werden müssten.
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte am Freitag, er habe mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videokonferenz über den Bau einer “neuen, dauerhaften Einrichtung” auf Lesbos gesprochen. Die Bundesregierung sprach nach dem Gespräch von einem “möglichen gemeinsamen Pilotprojekt für eine neue Aufnahme- und Asyleinrichtung auf Lesbos”.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) forderte die griechische Regierung auf, die Flüchtlinge nur vorübergehend in dem neuen Zeltlager unterzubringen. Bei den Zelten handele es sich nur um Notunterkünfte, sagte die UNHCR-Sprecherin Shabia Mantoo. Das UNHCR unterstütze das Lager als “vorübergehende Lösung”. Für eine langfristige Unterbringung der Flüchtlinge sei es aber nicht geeignet.
Bisher habe sich die griechische Regierung noch nicht zu ihren Plänen für das neue Lager geäußert, sagte Mantoo. Das UNHCR stehe bereit, um langfristige Lösungen und “sichere und geordnete Verlegungen” auf das griechische Festland und in andere EU-Länder zu unterstützen.
Das neue Lager besteht nach Angaben von Bewohnern bisher nur aus leeren Zelten. “Die Zelte sind vollkommen leer, ohne Matratzen, ohne Decken, nichts”, sagte ein Afrikaner der Hilfsorganisation Refugee Support Aegean. In den Sanitäranlagen gebe es kein Wasser, Trinkwasser und Essen gebe es nur einmal am Tag.
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