Im Streit um die künftigen Beziehungen zur EU hat sich Großbritanniens Premierminister Boris Johnson zuversichtlich gezeigt, dass es doch noch zu einer Einigung mit Brüssel kommt. Ein No-Deal-Szenario sei “nicht das, was dieses Land will”, sagte Johnson am Mittwoch im britischen Unterhaus. An seinem umstrittenen Plan, den mit der EU geschlossenen Brexit-Vertrag einseitig zu ändern, hielt er jedoch fest.
Johnson will mit einem neuen Binnenmarktgesetz mehrere Schlüsselregelungen im Brexit-Vertrag zu Nordirland aushebeln. Darin geht es um die Aussetzung von Zollregelungen im Warenhandel für Nordirland und von Vorgaben zu Staatsbeihilfen für britische Unternehmen. Die EU sieht in den Änderungsplänen einen klaren Verstoß gegen das Brexit-Abkommen. Selbst die britische Regierung räumte einen internationalen Rechtsbruch ein, bezeichnete ihn aber als nur “sehr spezifisch und begrenzt”.
Johnson warf Brüssel vor, eine mögliche Handelsblockade zwischen Großbritannien und Nordirland im Vertrag nicht ausgeschlossen zu haben. “Es ist immer möglich, dass ich mich irre, und vielleicht werden sie meinen Verdacht in den Gesprächen widerlegen”, sagte der Regierungschef. Den neuen Gesetzentwurf bezeichnete er als eine Art Versicherungsschutz. “Ich ziehe Schutzmaßnahmen vor, die die Integrität dieses Landes garantieren und es vor einem möglichen Bruch schützen”, sagte Johnson.
Johnsons Pläne belasten die laufenden Verhandlungen über die künftigen Beziehungen und ein Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigtem Königreich. Sie müssen bis spätestens Mitte November abgeschlossen werden, damit bis Jahresende ein Abkommen steht, wenn Großbritannien auch den Binnenmarkt und die Zollunion verlässt. Sonst gehen im beiderseitigen Handel wieder die Zollschranken herunter.
Großbritannien war am 31. Januar aus der Europäischen Union ausgetreten. Doch läuft eine Übergangsphase bis Jahresende, in der die künftigen Beziehungen geregelt werden sollen.
Die Nordirland-Frage war eine der schwierigsten bei der Aushandlung des Austrittsabkommens, da die Grenze zwischen Irland und Nordirland durch den Brexit de facto zu einer Landgrenze zwischen der EU und Großbritannien wurde. Ziel beider Seiten war es, Grenzkontrollen zum EU-Mitglied Irland zu verhindern, um ein Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts zu verhindern. Das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der jahrzehntelange Nordirland-Konflikt überwunden wurde, sieht eine offene Grenze vor.
© Agence France-Presse