Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) haben vor der Unionsfraktion für die geplante Aufnahme von rund 1550 zusätzlichen Flüchtlingen aus Griechenland geworben. Merkel bedauerte nach Teilnehmerangaben in der Unionsfraktionssitzung am Dienstag in Berlin, dass die angestrebte europäische Regelung zur Aufnahme der Flüchtlinge nicht zustande gekommen sei. “Das ist kein Zeichen für Europas Handlungsfähigkeit und Werte”, wurde sie von Teilnehmern zitiert.
In der rund zweistündigen Aussprache in der Unionsfraktion habe es deutliche Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung zur Flüchtlingsaufnahme gegeben, hieß es gegenüber AFP von Teilnehmern. Anstelle einer “Solo-Aktion” hätte die Regierung auf einer europäischen Lösung zur Aufnahme bestehen müssen, argumentierten die Kritiker.
Die Kanzlerin verwahrte sich laut Teilnehmern aber gegen die Interpretation, dass Deutschland mit der Aufnahme einen nationalen Alleingang unternehme. Vielmehr sei die gefundene Lösung ein “Zweigang”, der gemeinsam mit der griechischen Regierung vereinbart worden sei.
Mit dem nun erzielten Kompromiss habe die Koalition eine “überschaubare und begründbare Regelung” gefunden, sagte Merkel demnach. Sie finde es “richtig”, sich bei der Aufnahme auf Familien mit Kindern zu konzentrieren, deren Asylantrag in Griechenland bereits gebilligt worden sei. Der “Charme” der geplanten Maßnahme sei es, dass die nach Deutschland kommenden Menschen eine Bleibeperspektive hätten. Sie werde sich weiter für einen “europäischen Ansatz” einsetzen.
Seehofer bedauerte nach Teilnehmerangaben, dass sich kein EU-Land an der Aufnahme der 1550 Menschen beteiligen wolle. Selbst Frankreich habe nicht helfen wollen, kritisierte er demnach. Seehofer sagte weiter, dass Mitarbeiterinnen seines Ministeriums in Lesbos vor Ort gewesen seien. Sie hätten von “absolut unhaltbaren Zuständen” berichtet, wurde Seehofer von Teilnehmern der Fraktionssitzung zitiert.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warb den Angaben zufolge für die Position Merkels und Seehofers. “Man muss die Einzelschicksale sehen”, sagte er laut Teilnehmern über die Lage der Flüchtlinge in Griechenland. Er habe aber auch an Merkel appelliert, sich mit Nachdruck für eine europäische Lösung einzusetzen. “Es kann keine Humanität ohne Ordnung geben, aber auch keine Ordnung ohne Humanität.”
Die Bundesregierung will weiteren 1553 Flüchtlingen von den griechischen Inseln Schutz in Deutschland bieten. Von der Hilfsmaßnahme nach dem Großbrand im Lager Moria sollen insgesamt 408 Familien profitieren, die bereits von griechischen Behörden als schutzberechtigt anerkannt wurden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag in Berlin mitteilte. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete das Aufnahmeprogramm als “eigenständigen Beitrag” Deutschlands, der einer angestrebten europäischen Einigung vorausgehen solle.
© Agence France-Presse