**Ein fruchtiges Geheimnis im Herzen der Milchstraße**
Stellen Sie sich vor, Sie könnten im Weltraum tief einatmen. Während die meisten von uns an kalte Leere oder den metallischen Geruch denken, den Astronauten oft nach Außeneinsätzen beschreiben, verbirgt sich im Zentrum unserer Galaxie eine weitaus süßere Überraschung. In einer riesigen Staub- und Gaswolke namens Sagittarius B2 haben Astronomen Moleküle entdeckt, die wir eigentlich eher aus der heimischen Küche oder einer gut sortierten Bar kennen.
Diese Entdeckung klingt wie Science-Fiction, ist aber das Ergebnis präziser chemischer Analysen. Die Wolke befindet sich etwa 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und ist eine der größten ihrer Art. In ihrem Inneren haben Forscher die chemische Verbindung Ethylformiat nachgewiesen – jenen Stoff, der auf der Erde für das charakteristische Aroma von Himbeeren verantwortlich ist.
**Die Chemie hinter dem galaktischen Aroma**
Ethylformiat ist ein sogenannter Ester, der entsteht, wenn Alkohol und Säure miteinander reagieren. In der Natur ist diese Verbindung weit verbreitet und prägt nicht nur den Geschmack der roten Beeren, sondern verleiht auch dem Rum seinen typischen Geruch. Dass ausgerechnet diese komplexe Verbindung in den lebensfeindlichen Tiefen des Alls existiert, hat die Wissenschaftswelt bei ihrer Entdeckung im Jahr 2009 in Staunen versetzt.
Die Menge an Ethylformiat in Sagittarius B2 ist dabei gigantisch. Schätzungen zufolge enthält die Wolke genug dieser Substanz, um Trilliarden von Litern Rum herzustellen oder unvorstellbare Mengen an Himbeeraroma freizusetzen. Es ist ein faszinierender Gedanke, dass ein Ort, der Millionen Kilometer von uns entfernt ist, eine so vertraute Duftnote besitzt.
**Spurensuche mit dem Radioteleskop**
Doch wie „riechen“ Wissenschaftler an einer Wolke, die Tausende Lichtjahre entfernt ist? Der Nachweis erfolgte nicht durch direkten Kontakt, sondern durch die Analyse von Radiowellen. Jedes Molekül im Weltraum absorbiert und emittiert Licht bei ganz spezifischen Frequenzen, was wie ein einzigartiger „chemischer Fingerabdruck“ funktioniert.
Astronomen nutzen leistungsstarke Teleskope, wie das IRAM-Radioteleskop in Spanien, um diese winzigen Signale aus dem Hintergrundrauschen des Kosmos herauszufiltern. Bei der Untersuchung von Sagittarius B2 stießen die Forscher auf über 4.000 verschiedene Signale. Neben Ethylformiat fanden sie dabei auch weniger appetitliche Stoffe wie Propylcyanid, eine hochgiftige Chemikalie, die den „Himbeertraum“ im All schnell in eine tödliche Gefahr verwandeln würde.
**Die Suche nach den Bausteinen des Lebens**
Der eigentliche Grund für diese Untersuchungen ist jedoch weit weniger kulinarisch, als man vermuten könnte. Die Wissenschaftler suchen in den Gaswolken der Milchstraße nach Aminosäuren, den grundlegenden Bausteinen des Lebens. Da Ethylformiat strukturell mit diesen Lebensbausteinen verwandt ist, gilt seine Entdeckung als wichtiger Indikator dafür, dass die Voraussetzungen für Leben überall im Universum entstehen können.
Auch wenn wir Sagittarius B2 niemals persönlich besuchen können, zeigt uns dieses Phänomen, dass das Universum eng mit der Chemie auf unserem eigenen Planeten verknüpft ist. Es erinnert uns daran, dass selbst in der unendlichen Schwärze des Weltalls Elemente verborgen liegen, die uns an die Schönheit und Vielfalt der Natur auf der Erde erinnern. Das Universum ist nicht nur ein Ort voller Geheimnisse, sondern offenbar auch ein Ort mit einer ganz besonderen Duftnote.
**(Ulm TV Redaktion)**

