Ungeachtet scharfer westlicher Kritik haben Russland und Belarus ein gemeinsames Militärmanöver nahe der ukrainischen Grenze begonnen. Ziel der Übungen sei es, die Streitkräfte darauf vorzubereiten, „externe Aggressionen im Rahmen eines Verteidigungseinsatzes zu stoppen und abzuwehren“, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beklagte einen „psychologischen Druck“ auf sein Land. Auch Frankreich kritisierte die großangelegten Militärübungen.
Die Übungen finden schwerpunktmäßig in der nahe der ukrainischen Grenze gelegenen Region Brest statt. Ziel sei neben der Vorbereitung auf eine „externe Aggression“ auch die der „Kampf gegen den Terrorismus“ und die „Verteidigung der Interessen des Unionsstaats“, erklärte das russische Verteidigungsministerium mit Blick auf die russisch-belarussische Verteidigungs- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Zur Zahl der an den gemeinsamen Übungen beteiligten Soldaten machten Belarus und Russland keine Angaben. Westliche Vertreter gehen davon aus, dass Russland für das Manöver rund 30.000 Soldaten nach Belarus verlegt hat.
Der Kreml hat angekündigt, seine Truppen nach dem Ende der Übungen wieder aus Belarus abzuziehen. Der Westen befürchtet hingegen, dass Russland die Soldaten dauerhaft im Nachbarland stationieren will.
Russland habe „faktisch Belarus militärisch angeschlossen“, kritisierte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Lage in Osteuropa angesichts des belarussisch-russischen Militärmanövers und der zehntausenden an der russisch-ukrainischen Grenze zusammengezogenen Soldaten nannte er „brandgefährlich“.
Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten weit über 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland. Die Nato stockt deshalb ihre Truppenkontingente in den östlichen Mitgliedsstaaten auf. Die USA und weitere Verbündete liefern zudem Waffen an Kiew.
Der ukrainische Staatschef Selenskyj warf Russland und Belarus vor, mit der „Ansammlung an Streitkräften an der Grenze“ psychologischen Druck auf sein Land auszuüben. Er fügte hinzu: „Heute haben wir genügend Kräfte, um unser Land ehrenhaft zu verteidigen.“
Scharfe Kritik an dem Militärmanöver in Belarus übte auch die französische Regierung. Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte dem Sender France Inter, die Übungen seien „extrem“ großangelegt. Frankreich sei angesichts dieser „Geste großer Gewalt“ besorgt.
Le Drian sagte weiter, es sei vorstellbar, dass die Streitkräfte wie angekündigt nach dem Ende der Übungen am 20. Februar abgezogen würden. Dies sei ein „wichtiger Test“, sagte der Außenminister. „Wir werden sehen, ob es einen Deeskalationsprozess gibt, der umgesetzt wird.“
Die ehemalige Sowjetrepublik Belarus ist stark abhängig vom großen Nachbarn Russland. Machthaber Alexander Lukaschenko ist seit der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl 2020 international weitgehend isoliert. Der russische Staatschef Putin ist sein letzter wichtiger Verbündeter.
Russland weist jegliche Angriffspläne auf die Ukraine zurück. Zugleich führt der Kreml ins Feld, sich von Kiew und der Nato bedroht zu fühlen. Von dem Militärbündnis sowie von den USA fordert Putin umfassende Sicherheitsgarantien.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte am Donnerstag bei einem Treffen mit seiner britischen Kollegin Liz Truss in Moskau, westliche „Ultimaten“ oder „Drohungen“ führten „zu nichts“. Großbritannien hatte in der Ukraine-Krise zuletzt einen scharfen Ton angeschlagen und mit im Falle einer russischen Invasion mit harten Sanktionen gegen den Moskau gedroht.
Trotz der anhaltenden Spannungen setzen westliche Vertreter weiter auf eine diplomatische Beilegung der Krise. Am Donnerstag findet in Berlin eine zweite Gesprächsrunde auf der Ebene der außenpolitischen Berater im sogenannten Normandie-Format statt.
Das Normandie-Format war 2014 zur Befriedung des Konflikts in der Ostukraine aus der Taufe gehoben worden. Die Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine durch Berlin und Paris führte zum Minsker Abkommen von 2015. Kiew und Moskau werfen sich allerdings gegenseitig regelmäßig Verstöße gegen das Abkommen vor.
Quelle: AFP