Der Eklat um die geplatzte Reise von Frank-Walter Steinmeier nach Kiew belastete das Verhältnis des Bundespräsidenten zum ukrainischen Regierungschef Wolodymyr Selenskyj offenbar stärker als bislang bekannt. Das berichtet der “Spiegel” unter Berufung auf Eingeweihte.
Demnach konfrontierte Steinmeier im ersten Telefonat der beiden Präsidenten nach dem Affront Selenskyj persönlich mit dem Fall und verlangte von ihm Aufklärung über die Hintergründe. Bevor er über das künftige Verhältnis der beiden und neue Reisepläne sprechen wolle, müsse man erst noch einmal über die Vergangenheit sprechen, wird Steinmeier von Eingeweihten wiedergegeben. Die Ausladung sei ein historischer Affront gewesen, beispiellos gegenüber einem Staatsoberhaupt eines Verbündeten. Ein solcher Bruch der diplomatischen Usancen sei inakzeptabel, soll der Bundespräsident seinem Gegenüber in dem Telefonat am 5. Mai entgegengehalten haben. Er hätte gern eine Erklärung dafür. Als Selenskyj in dem Gespräch beteuerte, von dem Vorgang nichts gewusst zu haben, soll Steinmeier unwirsch geworden sein.
Er habe den gesamten Schriftverkehr vor sich liegen, sagte der Bundespräsident offenbar unter Bezug auf eine diplomatische Note aus der ukrainischen Regierung vom 12. April, dem Tag der geplatzten Reise. “Bitte ersparen Sie sich selbst und mir, dass ich das jetzt alles vorlese”, wird Steinmeier zitiert. Nach einer weiteren Beschwichtigung Selenskyjs habe Steinmeier sogar ein drittes Mal nachgehakt, heißt es, und dann eine zwar ausweichende, aber wohl gebührend geknickte Reaktion des Ukrainers bekommen. Erst daraufhin habe der Bundespräsident eingelenkt. Das Bundespräsidialamt teilte auf Anfrage mit, man berichte nicht aus vertraulichen Gesprächen.
Seither fand ein weiteres Telefonat von Steinmeier und Selenskyj am 30. Juni statt, in dem auch über Reisepläne des Bundespräsidenten nach Kiew gesprochen worden sein soll.
dts Nachrichtenagentur