Die Spitzen der drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP erwägen im Rahmen ihres geplanten Entlastungspakets unter anderem eine Reaktivierung von Kohlekraftwerken. Das berichtet das Portal “Business Insider” unter Berufung auf ein vertrauliches Papier mit dem Verhandlungsstand von Mittwochnacht.
Das Paket soll verschiedene Maßnahmen vorsehen, mit denen die Bundesregierung Verbrauchern angesichts hoher Energiekosten unter die Arme greifen will. “Die Bundesregierung unternimmt alles, um die Energie-Versorgungssicherheit sicherzustellen, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland schnellstmöglich zu reduzieren und die Umstellung auf klimafreundliche Energieträger voranzubringen”, zitiert das Portal aus dem Papier. Die FDP schlägt etwa vor:, Deutschland solle seine heimische Erdgas-Förderung wieder stärken. Von SPD-Seite gibt es daran jedoch Kritik. Der Vorschlag sei “gesellschaftspolitischer Sprengstoff” und könne den “notwendigen gesellschaftlichen Kompromiss, Kohlekraftwerke für die Versorgungssicherheit länger laufen zu lassen, unnötig erschweren”, heißt es in einer Anmerkung aus dem Arbeitsministerium. Im Verhandlungspapier heißt es zudem, die Regierung wolle “angesichts des sprunghaften Preisanstiegs bei den Mineralölprodukten” die Preise per Verordnung regulieren und einen Höchstpreis einführen. Die FDP setzt sich laut einer Anmerkung jedoch dafür ein, diese Maßnahme zu streichen. Weiter heißt es im Papier, wegen “zum Teil krasser Fehlentwicklungen” für betroffene Verbraucher durch “unseriöse Geschäftsmodelle einer Gruppe von Versorgern”, gelte es Wege zu finden, solche Praktiken für die Zukunft abzustellen und die unmittelbaren Auswirkungen für die Verbraucher abzumildern. Auch diesen Passus will die FDP streichen. Auch das Energiegeld der Grünen ist Teil des Pakets: Bis Oktober dieses Jahres solle ein Auszahlungsweg über die Steuer-ID entwickelt werden. Eine Höhe der Zahlung ist in dem Papier noch nicht festgeschrieben. Zudem gibt es einen Alternativvorschlag der SPD: eine Energiepauschale. Sie soll für das Steuerjahr 2022 allen steuerpflichtigen Haushalten als Gutschrift auf die Einkommenssteuer ausgezahlt werden. Eine Summe für die Pauschale ist im Papier noch nicht fixiert, sie soll sich aber pro Kind um einen ebenfalls noch nicht genannten Betrag erhöhen. Die Pauschale soll gestaffelt werden: Wer weniger Einkommen bei der Steuererklärung angibt, bekommt mehr. Die SPD schlägt vor, Familien einen einmaligen Kinderbonus auszuzahlen. Er könne über die Familienkassen ausgezahlt und auf den Kinderfreibetrag angerechnet werden, wodurch Haushalte mit höheren Einkommen nicht subventioniert würden. In einer Anmerkung schreibt das Arbeitsministerium, die Maßnahme könne “kurzfristig realisiert” werden und sei “sozial ausgewogen gestaltet”. Sehr kritisch sieht das Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) laut des Papiers den Vorschlag der FDP, einen Tankrabatt einzuführen. Dieser findet sich weiter im Verhandlungspapier – ohne, dass genaue Summen genannt würden.
In einer Anmerkung kritisiert das Arbeitsministerium, “die Maßnahme würde vor allen Dingen Haushalte mit hohen Einkommen stark begünstigen, da diese typischerweise einen deutlich höheren Verbrauch an Energie für Mobilität haben”, zitiert “Business Insider” aus dem Papier. Zudem sei nicht sichergestellt, dass die Entlastung an die Endkunden weiter gegeben werde. Das Bundesarbeitsministerium verweist auf Studien, laut denen die Mehrwertsteuer-Senkung im Zuge der Corona-Pandemie nur zur Hälfte an Kunden weitergereicht wurde. Ein Tankrabatt gäbe außerdem keinen Anreiz zum Sparen von Sprit und könne so klimapolitisch nicht gewollt sein – zumal nur Verbrenner, aber keine Elektrofahrzeuge subventioniert würden.
Letztlich weist das Arbeitsministerium darauf hin, dass die Raffinerien in Deutschland häufig in Konstrukten seien, an denen der russische Energiekonzern Rosneft beteiligt ist. Ein Tankrabatt würde die Gewinne der Raffinerien stabilisieren und “käme also einer Subvention in Richtung Russland gleich.” Beim Thema Energiesteuer greift die Ampel sogar einen Vorschlag aus einem Papier der CDU/CSU-Fraktion auf, denn man will die Energiesteuer zeitlich befristet absenken. Diese Steuer zahlt jeder an der Tankstelle, sie ist Teil des Spritpreises und macht bei Benzin einen Anteil von 65,45 Cent pro Liter aus, wer Diesel tankt, zahlt 47,04 Cent pro Liter. In anderen europäischen Ländern wurde die Steuer bereits abgesenkt. Jedoch wird diese FDP-Idee als “klimaschädlich und sozial nicht ausgewogen” kritisiert. Die FDP schlägt vor, Autofahrer zu entlasten, indem sie einmalig eine niedrigere Kraftfahrzeugsteuer entrichten müssen. Die Höhe des Rabatts soll gestaffelt ausfallen: Halter eines Spritschluckers bekämen weniger, sparsame Kleinwagenfahrer mehr.
Von den anderen Parteien wird die Maßnahme als “kurzfristig umsetzbar” bewertet, allerdings sei eine Förderung, die ans Auto geknüpft ist, klimapolitisch schwierig. Möglicherweise bekommt die FDP in diesem Fall allerdings grünes Licht und muss dafür auf Lindners Tankrabatt verzichten. Die Bundesregierung hatte sich bereits darauf geeinigt, dass Hartz-IV-Empfänger wegen der hohen Energiepreise eine Einmalzahlung von hundert Euro bekommen sollen. Diese ist Teil des ersten Entlastungspakets. Nun ist offenbar ein weiterer Zuschlag in dreistelliger Euro-Höhe für Sozialhilfeempfänger geplant. Die Grünen haben als Alternative zu dieser weiteren Einmalzahlung eine dauerhafte Anhebung des Regelsatzes um 44 Euro pro Person vorgeschlagen und greifen dabei auf Forderungen aus ihrem Wahlprogramm zurück. Dieser Anhebung wird allerdings als “zu hoch” bezeichnet, zudem sei die Summe vollkommen willkürlich gewählt und damit möglicherweise “verfassungswidrig”. Obwohl die Renten in diesem Jahr um sechs Prozent steigen, hat die Ampel-Koalition auch die Bezieher von kleinen Renten im Blick. Sie sollen einen “einmaligen Bonus” in noch nicht festgelegter Höhe zusätzlich mit ihrer Rente ausbezahlt bekommen. Zwar müssen Rentner nicht mehr mit Auto oder Bahn zur Arbeit fahren, aber “Mobilität sichert die Teilhabe am Leben”. Dieser Vorschlag der SPD wird als “nicht treffsicher” kritisiert, denn egal, ob gut situiert und mit privatem Vermögen ausgestattet oder an der Armutsgrenze lebend – alle Rentner würden diesen Zuschlag kassieren.
dts Nachrichtenagentur