Der Ukraine-Krieg treibt die ohnehin hohen Energiepreise weiter nach oben – die Inflationsrate wird sich daher in den kommenden Monaten wohl noch beschleunigen. Experten rechnen im Gesamtjahr mit einer Teuerung von um die fünf Prozent oder sogar deutlich darüber. Im Februar lag die Inflationsrate bei voraussichtlich 5,1 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte.
Die Energiepreise an den Weltmärkten und im Großhandel sind deutlich gestiegen, wie der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, erklärte. “Dies wird in den kommenden Wochen und Monaten auch zu steigenden Verbraucherpreisen führen.”
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing rechnet “derzeit mit einer Inflationsrate von um die fünf Prozent” 2022. Auch er verwies in der “Bild”-Zeitung vom Dienstag darauf, dass die Preise “mit Sicherheit” weiter steigen würden, insbesondere für Energie und Rohstoffe.
Im Februar stiegen die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoffe um 22,5 Prozent im Vergleich zum Februar 2021, wie das Statistikamt mitteilte. Im Januar hatte die Teuerung nur für Energie schon bei 20,5 Prozent gelegen.
Laut ADAC war Tanken im vergangenen Monat so teuer wie nie: Im Monatsmittel stieg der Benzinpreis im Vormonatsvergleich um 7,2 Cent auf 1,742 Euro, der Dieselpreis legte um 6,6 Cent auf durchschnittlich 1,662 Euro zu. Der letzte Tag im Februar war demnach der teuerste Tag des Monats – und zugleich “der teuerste Tag aller Zeiten” an den Zapfsäulen. Super E10 erreichte einen Durchschnittspreis von 1,816 Euro, ein Liter Diesel kostete im Schnitt 1,737 Euro.
IMK-Direktor Dullien warnte, besonders dramatisch dürfte die Lage auch beim Erdgas sein. “Schon vor der Invasion in die Ukraine waren die Future-Preise – also Preise für Erdgas zur Lieferung im Jahresverlauf 2022 – gegenüber dem Vorjahr um ein Mehrfaches gestiegen.” Wenn die Versorger im Jahresverlauf diese Preiserhöhungen an die Haushalte weitergeben würden, dann drohe eine Verdopplung der Endpreise für Gas.
“Allein dieser Erdgas-Preisanstieg könnte die Inflation um mehr als zwei Prozentpunkte in die Höhe treiben”, sagte Dullien. Hinzu kämen absehbare Preiserhöhungen bei Kraftstoffen, Heizöl und beim Strom.
Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Inflation werde “noch länger hoch bleiben”. Sie nannte als Gründe die hohen Energiepreise sowie “nachlaufende Effekte” etwa bei Düngemitteln und Lebensmitteln – bei deren Erzeugung ebenfalls Energiekosten anfallen.
Im Februar kletterten die Nahrungsmittelpreise laut Statistik um 5,3 Prozent. Dienstleistungen, darunter die Nettokaltmieten, wurden dagegen nur um 2,8 Prozent teurer.
Deutsche-Bank-Chef Sewing forderte die Europäische Zentralbank (EZB) erneut zu einer Kehrtwende in der Zinspolitik auf. “Mit Blick auf die Preisentwicklung ist der Ausstieg aus der Negativzinspolitik weiterhin nötig – trotz dieser Krise”, sagte Sewing der “Bild”. Er verwies darauf, dass die EZB über den Leitzins hinaus zahlreiche weitere Instrumente habe, “um auf mögliche Spannungen auf den Finanzmärkten gezielt zu reagieren”. Als Beispiel nannte er “Sonderprogramme zum Ankauf von Wertpapieren, die zeitlich begrenzt sein sollten”.
IMK-Direktor Dullien dagegen sieht eine “enorm schwierige Situation” für die EZB. Die Folgen des Ukraine-Krieges trieben nicht nur die Preise an, sondern dämpften zugleich das Wirtschaftswachstum. “Firmen werden sich mit Investitionen tendenziell stärker zurückhalten, und Privathaushalte, die mehr für Energie ausgeben müssen, sich möglicherweise bei anderem Konsum zurückhalten.”
Eine schnelle Zinserhöhung in dieser Situation könne den Inflationsdruck nicht kurzfristig dämpfen, sagte Dullien weiter: “Höhere Zinsen werden nicht die Sorgen an den Energiemärkten vor Lieferunterbrechungen etwa beim Gas beseitigen können. Gleichzeitig würden sie eine Wirtschaft treffen, die ohnehin von der Unsicherheit des Krieges schwer belastet ist.”
Quelle: AFP