Im Ukraine-Konflikt haben sich die Fronten weiter verhärtet: Die Nato kündigte am Montag eine Verstärkung ihrer Militärpräsenz in Osteuropa an. Eine Reihe von Mitgliedstaaten wollen demnach zusätzliche Kampfflugzeuge und Marineschiffe in die Ostsee und osteuropäische Länder wie Litauen, Rumänien und Bulgarien entsenden. Der Kreml warf der Nato daraufhin eine Verschärfung der Lage vor. US-Präsident Joe Biden kündigte für Montagabend Beratungen mit seinen europäischen Verbündeten an.
Die Nato erklärte, die Verbündeten setzten ihre Truppen in Bereitschaft und verstärkten ihre Maßnahmen zur Abschreckung und Verteidigung, “während Russland seine militärische Aufrüstung in und um die Ukraine fortsetzt”. In den vergangenen Tagen hatten demnach Frankreich, Spanien, Dänemark und die Niederlande eine Aufstockung ihrer Militärpräsenz im Osten angekündigt.
Auch die USA prüfen den Angaben zufolge eine Verstärkung ihres Militärs in östlichen Bündnis-Ländern. Die “New York Times” berichtete am Montag, die US-Regierung erwäge die Entsendung von Marineschiffen und Flugzeugen sowie 1000 bis 5000 Soldaten nach Osteuropa. Diese Zahl könnte sich demnach sogar verzehnfachen, sollte sich die Lage deutlich verschlechtern.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verurteilte den Schritt: “Die Spannungen werden durch die Ankündigungen und konkreten Maßnahmen der USA und der Nato verschärft.” Russland hat in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Moskau dementiert dagegen jegliche Invasionspläne.
US-Außenminister Antony Blinken informierte seine EU-Kollegen in Brüssel am Montag per Videoschalte über sein Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Bei dem Treffen war kein Durchbruch erzielt worden, beide Seiten einigten sich aber auf eine Fortsetzung der diplomatischen Bemühungen.
Weitere Beratungen der westlichen Verbündeten sind für Montagabend geplant. Das Weiße Haus kündigte für 21.00 Uhr (MEZ) eine Videoschalte von Präsident Biden mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, an der unter anderem auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premier Boris Johnson sowie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen teilnehmen sollen.
Die USA hatten zuvor wegen der Spannungen mit Russland am Montag angeordnet, dass die Familien der US-Diplomaten in Kiew die Ukraine verlassen sollen. Auch Großbritannien und Australien kündigten an, einen Teil ihres Botschaftspersonals aus der Ukraine abziehen. Frankreich zog seine Diplomaten nicht ab, riet jedoch von nicht notwendigen Reisen in die Ukraine ab.
Kiew und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichneten den Schritt als verfrüht. Borrell betonte, solange die diplomatischen Gespräche mit Moskau andauerten, gebe es für die EU keinen Grund “zur Dramatisierung”. Die Europäer bereiteten für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine aber weiter ein “starkes Sanktionspaket” vor.
Von den geplanten Strafmaßnahmen könnten laut EU-Kreisen Russlands Öl- und Gaslieferungen nach Europa betroffen sein. Die EU-Kommission plant laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zudem eine Aufstockung der finanziellen Unterstützung für die Ukraine um 1,2 Milliarden Euro.
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj rief die EU-Mitgliedstaaten angesichts der Bedrohung aus Russland zur Geschlossenheit auf. Zwischen Kiew und Berlin war es in den vergangenen Tagen wegen der Weigerung der Bundesregierung, der Ukraine Waffen zu liefern, und umstrittener Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach zu Spannungen gekommen.
Die Bundesregierung setzt nach Angaben von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf eine Fortsetzung der diplomatischen Initiativen. Unter anderem ist zwischen Russland und der Ukraine ein Vermittlungstreffen von Deutschland und Frankreich im sogenannten Normandie-Format geplant.
Zu einem möglichen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift im Falle eines Angriffs auf die Ukraine äußerte sie sich zurückhaltend: Sie sei der Ansicht, dass “der härteste Knüppel nicht immer das intelligenteste Schwert am Ende sein wird”.
Baerbock machte in Brüssel auch deutlich, dass sie einen Abzug des deutschen Botschaftspersonals derzeit nicht für sinnvoll halte: “Wir dürfen nicht zu einer weiteren Verunsicherung der Lage beitragen”, warnte sie. Familienangehörige von deutschen Diplomaten können das Land aber freiwillig verlassen, wie das Auswärtige Amt mitteilte.
Quelle: AFP