Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Pläne der Bundesregierung, das neue Gesetz zur Wiederaufnahme von Strafverfahren und die Einstufung des Schwarzfahrens als Straftat zu überprüfen. Das noch unter der früheren Koalition beschlossene Gesetz sieht vor, dass bei schwersten Straftaten auch nach einem Freispruch die Wiederaufnahme des Verfahrens möglich ist, wenn neue Beweismittel auftauchen, die eine Verurteilung wahrscheinlich machen. Damit habe der Gesetzgeber “verfassungsrechtliche Grenzen nicht korrigiert, sondern gesprengt”, erklärte Stefan Conen vom DAV am Dienstag in Berlin.
Der DAV unterstütze das Vorhaben von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), das Gesetz erneut zu prüfen. Es war Mitte September beschlossen und erst Ende Dezember von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet worden, der verfassungsrechtliche Bedenken äußerte und eine neuerliche parlamentarische Prüfung anregte. Im Dezember hatte zuerst das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” berichtet, dass Buschmann die Bedenken Steinmeiers teile.
Zum Fahren ohne Fahrkarte erklärte der DAV, dass er seit Jahren für die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit plädiere. Verfolgung und Ahndung als Straftat verursachten unverhältnismäßig hohe Kosten, “belasten die Justiz sowie die Ermittlungsbehörden unnötig und stehen dem Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts entgegen”, teilte Swen Walentowski, Leiter Politische Kommunikation und Medien, mit.
Die Kosten für die Verfahren und Gefängnisstrafen seien im Verhältnis zu den erschlichenen Leistungen unverhältnismäßig hoch. Wer sich den Fahrschein nicht leisten könne, werde kriminalisiert, und wer die Geldstrafe nicht bezahlen könne, müsse ins Gefängnis. “Ihr Verhalten ist aber nicht sozialschädlich und eine Kriminalisierung daher nicht im Sinne des Gemeinschaftsschutzes”, erklärte Walentowski.
Der “Spiegel” hatte vor einigen Tagen berichtet, dass Buschmann das Strafrecht systematisch überprüfen wolle und dabei unter anderem das Schwarzfahren im Blick habe. Beim virtuellen Jahresauftakt des DAV am Dienstag sagte der Minister, dass Verschärfungen im Strafrecht immer nur Ultima Ratio – also das letzte Mittel – sein könnten.
“Deshalb werden wir das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche prüfen.” Es sei ein grundsätzlich falscher Ansatz, immer neue Straftatbestände zu schaffen, “weil man glaubt, damit gesellschaftliche Entwicklungen bessern zu können”, sagte Buschmann.
Quelle: AFP