Der Chef der Mindestlohnkommission, Jan Zilius, hat die Ampel-Parteien davor gewarnt, die geplante Anhebung der Lohnuntergrenze auf zwölf Euro zu schnell vorzunehmen. Bei einer ganz kurzfristigen Anhebung bereits zum Jahreswechsel wären etwa 40 Prozent der Tarifverträge betroffen, sagte Zilius in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit MDR Aktuell – und fügte hinzu: “Das ist viel.” Die Unternehmen bräuchten eine Übergangszeit.
Mitte kommenden Jahres wären nach seinen Worten noch 31 Prozent der Tarifverträge betroffen, Anfang 2023 sogar nur noch 17 Prozent. Die Tarifparteien hätten “dann auch Reaktionsmöglichkeiten”, um die Anhebung abzufedern, sagte Zilius. “Also von daher ist der Zeitpunkt eigentlich ganz entscheidend”, betonte er.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits angekündigt, Anfang 2022 einen Gesetzentwurf zur Erhöhung des Mindestlohns vorzulegen.
Kommissionschef Zilius äußerte grundsätzlich Verständnis dafür, dass die neue Regierung den Mindestlohn schneller anheben will. Als Problem bezeichnete er aber den erneuten Eingriff der Politik in die Tarifautonomie. Bei der Einführung des Mindestlohns 2015 habe die damalige Bundesregierung versichert, es handle sich um einen einmaligen Eingriff, sagte Zilius. “Jetzt haben wir die Situation, dass offensichtlich ein zweiter Eingriff erfolgt.”
Zilius mahnte mehr Verlässlichkeit an. Wörtlich fügte er hinzu: “Dass wir als Mindestlohnkommission nicht der Pausenclown zwischen den Bundestagswahlen alle vier Jahre sein wollen, das ist ja, glaube ich, nachvollziehbar.”
Eigentlich ist es Aufgabe der Mindestlohnkommission, die jeweilige Höhe des Mindestlohns festzulegen. In der Kommission sitzen drei von den Arbeitgebern entsandte Vertreter, drei Gewerkschafter, der Vorsitzende sowie zwei nicht stimmberechtigte Wissenschaftler.
Laut Gesetz ist es Aufgabe der Mindestlohnkommission, eine “Gesamtabwägung” vorzunehmen. Die festgelegte Höhe soll “zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beitragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen ermöglichen sowie Beschäftigung nicht gefährden”. Die Kommission orientiert sich dabei “nachlaufend an der Tarifentwicklung”.
Quelle: AFP