IMK-Konjunkturexperten erwarten abgeschwächtes Wirtschaftswachstum

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Der Wirtschaftsaufschwung gerät nach Einschätzung von Konjunkturexperten zunehmend ins Stocken. Die Wirtschaftsexperten des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) korrigierten ihre Wachstumsprognose für Deutschland in diesem Jahr deutlich um 1,9 Prozent auf nun 2,6 Prozent nach unten. Das Ifo-Institut warnte zudem vor einem verschärften Materialmangel in der Industrie. Für das kommende Jahr erwarten die Wirtschaftsexperten jedoch eine Entspannung der Lieferketten und ein stärkeres Wirtschaftswachstum.

“Wir erleben einen Aufschwung mit angezogener Handbremse”, erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, am Mittwoch. Neben dem IMK hatten auch andere Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognosen zuletzt deutlich nach unten korrigiert. Grund für die eingetrübten Wachstumsprognosen in diesem Jahr sind laut IMK die anhaltenden Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten, die zu Produktionsausfällen in der Industrie führten.

Im September berichteten laut Ifo-Institut 77,4 Prozent der Industriefirmen in Deutschland über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Damit sei der Rekord vom Vormonat “nochmal übertroffen” worden. Im August lag der Anteil in der Ifo-Umfrage bei gut 69 Prozent. Besonders ernst sei die Lage in der Autoindustrie – dort berichteten “nahezu alle Unternehmen” (97 Prozent) von Problemen. In der Branche fehlen vor allem Halbleiter.

Auch erhöhte Import- und Energiepreise machten der Industrie zuletzt stark zu schaffen: Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch erklärte, stiegen die Importpreise im August im Vorjahresvergleich um 16,5 Prozent, der höchste Preisanstieg seit 40 Jahren. Insbesondere die Preise für importierte Energieträger wie Erdgas und Erdöl verzeichneten demnach deutliche Preissteigerungen um 93,6 Prozent.

“Diese Engstellen sind hartnäckiger, als wir erwartet haben”, erklärte Dullien vom IMK. Das Wachstum habe deshalb in diesem Jahr deutlich weniger Schwung als zunächst angenommen. “Ein Teil davon verschiebt sich aber nach 2022, so dass im nächsten Jahr ein Rekordwachstum der deutschen Wirtschaft in Sicht ist”, erklärte Dullien. Im kommenden Jahr rechnen die IMK-Experten mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 5,1 Prozent.

Die treibenden Wirtschaftsfaktoren in diesem Jahr seien die Exporte, die zum Teil noch aus Lagerbeständen bedient würden und Investitionen im Ausrüstungs- und Baubereich. Der private Konsum sei hingegen etwas zurückgegangen, werde aber im kommenden Jahr zum dominierenden Wachstumsfaktor, prognostizierte das IMK. Auch die Lage am Arbeitsmarkt werde sich weiter entspannen: Laut IMK sinkt die Arbeitslosenquote in diesem Jahr weiter leicht auf durchschnittlich 5,7 Prozent ab, im kommenden Jahr gehe die Quote dann deutlicher auf 5,1 Prozent zurück.

Mit Blick auf die derzeit hohe Inflationsrate gaben die IMK-Wirtschaftsforscher Entwarnung: Zwar betrage diese in diesem Jahr im Mittel 2,9 Prozent und liege somit über dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegebenen Ziel von zwei Prozent. Neben dem Wirtschaftsaufschwung seien aber insbesondere Sondereffekte der Pandemie für die hohe Teuerungsrate verantwortlich, im kommenden Jahr werde die Inflationsrate auf 1,9 Prozent zurückgehen. Für die EZB bestehe derzeit folglich kein Handlungsbedarf.

Auf die neue Bundesregierung sehen die Experten hingegen wichtige Aufgaben zukommen: Laut IMK sollte diese den “enormen Investitionsbedarf” in Infrastruktur, Digitalisierung und Dekarbonisierung “konsequent und strategisch angehen”. Auch bei einer Verschlechterung der konjunkturellen Lage sollte die Regierung mit Investitionen eingreifen, forderten die Forscher. Dies könne beispielsweise bei einem erneuten Ausbruch der Pandemie notwendig sein. Die Regierung müsse in einem solchen Fall “Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen” vorziehen, empfahlen die Wirtschaftsforscher.

Quelle: AFP

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