In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong sind erneut vier prominente Demokratie-Aktivisten festgenommen worden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete am Mittwoch, wie Beamte der Sicherheitspolizei die Anwältin und Vizevorsitzende der Hongkonger Allianz, Chow Hang-tun, in Handschellen abführten. Zuvor waren drei ihrer Mitstreiter festgenommen worden. Die Hongkonger Allianz organisierte in der Vergangenheit die Gedenkveranstaltungen zur Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in China.
Unter den weiteren Festgenommenen waren nach Angaben der Hongkonger Allianz Simon Leung, Sean Tang und Chan To-wai. Die Polizei bestätigte die Festnahme von drei Männern und einer Frau. Diese hätten sich geweigert, auf Grundlage des sogenannten Sicherheitsgesetzes “Informationen zur Verfügung zu stellen”.
In einem äußerst seltenen Schritt gab auch das chinesische Sicherheitsbüro eine Mitteilung zu den Festnahmen heraus. Darin hieß es: “Jeder, der das nationale Sicherheitsgesetz von Hongkong oder andere Hongkonger Gesetze bricht, wird auf der Grundlage des Gesetzes bestraft.” Vergleichbare Verlautbarungen hatte das weitgehend im Geheimen operierende Sicherheitsbüro bisher nur nach der Festnahme des Medienmoguls und Demokratie-Aktivisten Jimmy Lai sowie jener des Rechtsprofessors Benny Tai ausgegeben.
Auf der Grundlage des Sicherheitsgesetzes gehen die Behörden in Hongkong seit mehr als einem Jahr massiv gegen prodemokratische Organisationen vor. Im August hatten die Behörden der Hongkonger Allianz und ihren Mitgliedern vorgeworfen, “ausländische Agenten” zu sein. Die Polizei forderte von der Organisation detaillierte Angaben zu ihren Mitgliedern, ihrer Finanzierung sowie ihren Kontakten zu anderen Organisationen.
Am Dienstag lief die Frist für die Einreichung der Angaben bei der Polizei ab. Mitglieder der Hongkonger Allianz überreichten der Polizei an diesem Tag einen Brief, in dem sie das behördliche Vorgehen gegen die Organisation als illegal und willkürlich brandmarkten. Am Dienstagabend gab die Sicherheitspolizei in Hongkong dann eine Erklärung aus, in der sie allen, die sich einer Kooperation mit den Behörden verweigern, eine Strafverfolgung androhte.
Die Hongkonger Allianz, deren vollständiger Name Hongkonger Allianz zur Unterstützung der patriotischen demokratischen Bewegungen in China lautet, gehörte lange zu den sichtbarsten zivilgesellschaftlichen Bewegungen in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Jedes Jahr am 4. Juni veranstaltete die Allianz Nachtwachen zur Erinnerung an die Opfer der brutalen Niederschlagung der Tiananmen-Proteste in China. An den Gedenkveranstaltungen im Victoria-Park nahmen jährlich zehntausende Menschen teil. Teilnehmer protestierten dabei häufig gegen die Ein-Parteien-Herrschaft in China und forderten mehr Demokratie.
In den vergangenen zwei Jahren wurden die Nachtwachen von den Behörden verboten. In diesem Jahr erzwangen die Behörden zudem die Schließung eines von der Hongkonger Allianz betriebenen Museums.
Der inzwischen in London lebende ehemalige Hongkonger Abgeordnete Nathan Law nannte die jüngsten Festnahmen “völlig absurd und inakzeptabel”. Noch bevor ein Verfahren eröffnet worden sei, gelte die Hongkonger Allianz als “schuldig”, kritisierte er. “Dies verstößt voll und ganz gegen die in der Vergangenheit geltende Unschuldsvermutung.”
Die chinesische Regierung hatte das “Sicherheitsgesetz” als Reaktion auf die monatelangen Massenproteste in Hongkong 2019 erlassen. Das Gesetz ermöglicht den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Verstöße können mit lebenslanger Haft bestraft werden. Seit seiner Einführung wurden auf der Grundlage des Gesetzes mehr als 120 Menschen festgenommen.
Kritiker der chinesischen Hongkong-Politik sehen in dem Gesetz eine massive Beschneidung des Sonderstatus der Finanzmetropole. Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong waren bei ihrer Übergabe an China im Jahr 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Quelle: AFP