Prozess um Amokfahrt von Trier beginnt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen

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Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat am Donnerstag der Prozess um die Amokfahrt von Trier mit fünf Toten vor dem Landgericht der rheinland-pfälzischen Stadt begonnen. Der Angeklagte Bernd W. schwieg zum Prozessauftakt. Die Anklage wirft ihm fünffachen Mord, versuchten Mord in 18 Fällen sowie gefährliche und schwere Körperverletzung in 14 Fällen vor. Er fuhr laut Anklage vor über acht Monaten, am 1. Dezember 2020, mit einem Auto in die Fußgängerzone.

Auf seinem Weg durch mehrere Straßen erfasste der 51-Jährige demnach wahllos, aber gezielt mit hoher Geschwindigkeit Passanten, bevor er nach wenigen hundert Metern nahe der Porta Nigra ausstieg. Er habe heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln gehandelt, um einen “Unglücksfall herbeizuführen”, sagte Staatsanwalt Eric Samel bei der Anklageverlesung.

W.s Absicht sei es gewesen, “möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen”. Der 51-Jährige habe die Arg- und Wehrlosigkeit der Passanten ausgenutzt. Diese wurden teils hinterrücks erfasst und weggeschleudert. Bei der Amokfahrt war der Angeklagte alkoholisiert.

Die Tat löste großes Entsetzen aus, denn das jüngste Opfer war erst neun Wochen alt. Zu den Todesopfern zählten eine 73-jährige Passantin ebenso wie ein 45-jähriger Vater mit seiner neun Wochen alten Tochter, eine 52 Jahre alte Radfahrerin und eine 25-jährige Studentin. Zahlreiche Menschen wurden bei der Amokfahrt außerdem schwer verletzt. Viele der Opfer sind psychisch traumatisiert.

Zwei Verletzte befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft bis heute in stationärer Behandlung. Ein Opfer sei bis heute “immobil” und zeige ein “apathisches Verhalten”. Samel zählte Prellungen, Brüche und diverse Traumata auf, welche die überlebenden Opfer erlitten.

Das Motiv ist bislang unklar. In den polizeilichen Vernehmungen habe W. nur rudimentäre und in Teilen widersprüchliche Angaben gemacht. Er habe im Wesentlichen behauptet, sich an Einzelheiten nicht zu erinnern. Zudem habe er realitätsfern anmutende Angaben über Geschehnisse gemacht, die ihm in seinem bisherigen Leben widerfahren sein sollen. Hinweise für Motive ideologischer oder politischer Art hätten sich nicht ergeben.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war W. frustriert über seine Lebenssituation. Vor der Tat habe er keinen Wohnsitz mehr gehabt und in einem Geländefahrzeug gelebt. Weil er sich von Anwälten und Notaren ungerecht behandelt gefühlt habe, habe er einen “allgemeinen Menschenhass” entwickelt.

Zudem leide der Mann an einer Psychose. Samel berief sich dabei auf eine vorläufige Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen. Im Prozess wird daher auch geklärt werden müssen, ob W. eingeschränkt schuldfähig ist.

Nur wenig ist bisher über ihn bekannt. Nach eigenen Angaben vom Donnerstag ist er ledig und hat keine Kinder. Der 51-Jährige nahm zum Prozessauftakt in einem weißen Hemd und mit runder Brille hinter einer halbrunden Glaswand Platz. Eine Reaktion auf die Vorwürfe ließ sich unter seiner FFP2-Maske im Gesicht nicht erkennen.

W. selbst will während der Verhandlung nichts sagen – weder zu sich noch zu den Vorwürfen. “Mein Mandant hatte sich Antworten auf das Warum erhofft”, sagte ein Nebenklageanwalt nach dem Prozess. W.s Verhalten habe sein Mandant “schwierig” aufgenommen. “Er ist in Tränen ausgebrochen beim Verlesen der Anklage.”

Mehr als ein Dutzend Plätze war im Saal für die Nebenklage reserviert – es erschienen aber lediglich vier Nebenkläöger persönlich. Beim nächsten Verhandlungstag am 3. September sollen die ersten Zeugen aussagen. Geladen sind mehrere Polizeibeamte. Bis Ende Januar sind noch 25 weitere Prozesstage angesetzt. Nach Ansicht des Staatsanwalts wird der Prozess “mindestens” so lange dauern.

Quelle: AFP

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