Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Kredite etwa für größere Anschaffungen aufnehmen, zahlen sie dafür über die Zinsen drauf – doch die zuletzt sprunghaft angestiegene Inflation führt nach Angaben des Vergleichsportals Verivox zu einer “historischen Ausnahmeerscheinung”: Im Juli lag demnach der mittlere Zinssatz aller über das Portal abgeschlossenen Ratenkredite deutlich unterhalb der Inflationsrate. Das heißt: Gemessen an der heutigen Kaufkraft würden Kreditnehmer weniger zurückzahlen, als sie erhalten haben.
Wie aus einer Auswertung von Verivox hervorgeht, die AFP am Mittwoch vorlag, betrug der mittlere Zinssatz im Juli 2,99 Prozent. Zugleich war die Inflationsrate im vergangenen Monat auf 3,8 Prozent geklettert – den höchsten Stand seit Dezember 1993. Der Realzins, für den vereinfacht berechnet die Inflationsrate vom Zinssatz abgezogen wird, ergibt demnach einen Wert von minus 0,8 Prozent; bei Anwendung der exakten Formel errechnet sich laut Verivox ein Realzins von minus 0,78 Prozent.
Was das konkret bedeuten könnte, führt das Vergleichsportal in einem Rechenbeispiel aus: Wer zum mittleren Zinssatz von 2,99 Prozent einen Kredit von 15.000 Euro aufnimmt, zahlt bei einer Laufzeit von fünf Jahren insgesamt 16.152 Euro an die Bank zurück. Allerdings hätte diese Summe demnach bei konstanter Inflation am Ende der Laufzeit nur noch einen Wert von 13.404 Euro. “Gemessen an der heutigen Kaufkraft würden Kreditnehmer also rund 1600 Euro weniger zurückzahlen, als sie erhalten haben”, erklärte Verivox.
Ausgewertet wurde für die Untersuchung der sogenannte Median-Zinssatz. Das heißt, die Hälfte aller Kreditnehmer zahlte im Juli diesen oder einen günstigeren Zins. Insgesamt schlossen nach Angaben des Portals zwei von drei Verivox-Kunden ihr Darlehen zu einem Zinssatz unterhalb der Inflationsrate und damit zu negativen Realzinsen ab. “Dass eine Mehrheit ihren Ratenkredit zu Zinsen unterhalb der laufenden Teuerung abschließen kann, ist eine historische Ausnahmeerscheinung”, sagte Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox Finanzvergleich.
Dass die Inflationsrate im Juli in die Höhe geschossen war, liegt allerdings auch am sogenannten Basiseffekt. Im Vorjahresmonat hatte die zeitweilige Absenkung der Mehrwertsteuer in der Corona-Krise die Verbraucherpreise deutlich fallen lassen – entsprechend stark ist der Anstieg im Vergleich. Neben diesem Basiseffekt sind die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise wichtige Inflationstreiber.
Maier rechnet damit, dass der Juli nicht der letzte Monat mit negativen Realzinsen gewesen sein wird. “Denn die Zinsen für Ratenkredite werden weiterhin sehr niedrig bleiben und im Laufe der nächsten Monate könnte sich der Trend steigender Inflationsraten sogar noch verstärken”, sagte er.
Gleichwohl sollten Verbraucherinnen und Verbraucher trotz negativer Realzinsen nur dann einen Kredit aufnehmen, wenn sie ihn auch wirklich brauchen, gab Maier zu bedenken. “Wer das Geld für größere Konsumwünsche frei verfügbar auf dem Konto liegen hat, greift lieber zunächst auf diese Reserven zu”, riet er. Denn trotz negativer Realzinsen zahlten Verbraucher für einen Kredit immer noch höhere Zinsen, als sie für ihr Erspartes auf Tagesgeld- oder Girokonten erhalten würden. Zudem könne niemand zuverlässig vorhersagen, wie sich die Teuerungsrate über die gesamte Kreditlaufzeit weiter entwickeln werde.
Quelle: AFP