Bundeswehr bereitet sich auf Evakuierungen aus Kabul vor

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Die Bundeswehr will am Montag deutsche Staatsbürger und einheimische Ortskräfte aus der belagerten afghanischen Hauptstadt Kabul ausfliegen. Dafür will die Luftwaffe mehrere Transportmaschinen entsenden, Fallschirmjäger sollen die Rettungsaktion absichern, hieß es am Sonntag aus Verteidigungskreisen in Berlin. Das Personal der deutschen Botschaft verließ am Sonntag auf Anweisung von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) das Botschaftsgelände im Stadtzentrum und begab sich an den Flughafen.

Das Tempo des Taliban-Vorstoßes auf Kabul hat die Bundesregierung offenbar überrascht, ihre bisherigen Pläne hatten Evakuierungsflüge erst für Ende August vorgesehen. Die radikalislamische Miliz stand am Sonntag bereits am Stadtrand von Kabul. “Wir werden nicht riskieren, dass unsere Leute den Taliban in die Hände fallen”, sagte Maas der “Bild am Sonntag”.

Die Evakuierungspläne sehen nach Angaben aus Verteidigungskreisen vor, in Taschkent, der Hauptstadt des Nachbarlands Usbekistan, eine Drehscheibe für Zwischenlandungen der Transportmaschinen aus Kabul einzurichten. Von dort sollten die Passagiere mit Charterflugzeugen nach Deutschland gebracht werden. Nach Informationen der “Bild” soll die erste Bundeswehrmaschine noch am Sonntag in Richtung Kabul starten.

Zur Zahl der Auszufliegenden äußerte sich die Bundesregierung nicht. Nach “Spiegel”-Informationen sind rund 20 Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul. Hinzu kommen Entwicklungshelfer sowie rund 80 weitere Deutsche, die sich noch in dem Land aufhalten. Zudem sollen rund 300 afghanische Ortskräfte, die in Afghanistan für Deutschland gearbeitet haben, samt ihren Familien ausgeflogen werden.

Außenminister Maas erklärte, er räume der sicheren Ausreise des deutschen Botschaftspersonals aus Afghanistan höchste Priorität ein. Er habe am Sonntagvormittag entschieden, “das Personal der Botschaft Kabul zum militärischen Teil des Flughafens zu verlegen”, schrieb Maas auf Twitter. Zudem habe er den Krisenstab der Bundesregierung einberufen, “um Sofortmaßnahmen zur Sicherung und zur Ausreise deutscher Bediensteter und weiterer gefährdeter Personen aus Afghanistan auf den Weg zu bringen”.

Grundsätzlich ist für jeden bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland die Zustimmung des Bundestags erforderlich. Dieses Mandat kann die Regierung laut Parlamentsgesetz aber auch nachträglich einholen, wenn es sich um “Einsätze bei Gefahr im Verzug” handelt, “die keinen Aufschub dulden”.

Der unerwartet schnelle Vorstoß der Taliban auf Kabul sorgte in der deutschen Politik für Fassungslosigkeit. Die Opposition warf der Bundesregierung vor, sich nicht engagiert genug um die Ausreise afghanischer Ortskräfte gekümmert zu haben; diese früheren Mitarbeiter deutscher Stellen in Afghanistan seien durch die Taliban akut gefährdet.

“Die Leben von Botschaftsangehörigen und Ortskräften, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, von Frauenrechtlerinnen sind akut bedroht”, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock der “Süddeutschen Zeitung”. Sie forderte schnelle Ausreisemöglichkeiten.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann beklagte, dass die Bundesregierung die Ortskräfte nicht schon längst in Sicherheit gebracht habe. Sie sprach von einem “menschenverachtenden Trauerspiel”. “Wie kann man Menschen, die uns so geholfen haben, nur so sträflich im Stich lassen”, schrieb sie auf Twitter.

Der Linken-Verteidigungsexperte Niema Movassat forderte, noch am Sonntag mit den Evakuierungen zu starten. “Morgen ist es vielleicht zu spät, jemanden rauszuholen aus Afghanistan”, warnte er. 

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) bezeichnete es am Samstag als “moralischen Verpflichtung”, die afghanischen Ortskräfte nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. “Diesen Leuten muss geholfen werden, sie müssen jetzt rausgeholt werden.”

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte den Einsatz der Bundeswehr im Rückblick für gescheitert. “Das große Ziel war es, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheitert”, sagte er der Montagausgabe der “Augsburger Allgemeinen”. 

Quelle: AFP

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