Lokführergewerkschaft erwartet über 90 Prozent Zustimmung zum Streik

Copyright AFP/Archiv John MACDOUGALL

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat am Montag die Stimmen ihrer Mitglieder zu möglichen Streiks bei der Deutschen Bahn (DB) ausgezählt. “Wir erwarten über 90 Prozent Zustimmung zum Streik”, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Vormittag in Frankfurt am Main. Das Ergebnis der Urabstimmung und weitere Details zu den möglichen Arbeitskampfmaßnamen will Weselsky am Dienstag bekanntgeben.

“Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind es leid, dass sich die Führungskräfte mit Millionen die Taschen füllen und dass die kleinen Eisenbahner mit Null- und Minusrunden abgespeist werden”, sagte Weselsky. Die Tarifverhandlungen mit der Bahn seien gescheitert, das Angebot der DB sei “viel zu wenig”. 

Zum Zeitpunkt eines möglichen Streiks wollte der GDL-Chef noch keine Angaben machen. Dies hänge auch von dem Ergebnis der Urabstimmung ab, sagte er. Mit Blick auf die Ferien fuhr Weselsky fort, allen Beteiligten sei bewusst, dass es “keinen guten Zeitpunkt für einen Streik bei der Eisenbahn” gebe. Die Maßnahmen würden jedoch rechtzeitig angekündigt. 

In dem Tarifkonflikt hatte die Bahn der Gewerkschaft ein zweites Angebot gemacht. Es sieht eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent in zwei Schritten sowie weitere Leistungen etwa bei Altersvorsorge und einen Kündigungsschutz vor. Auseinander liegen die Tarifparteien bei der Laufzeit und beim Tempo der Erhöhungen. 

Eine Sprecherin der DB bekräftigte am Montag, der Konzern sei “jederzeit und überall verhandlungsbereit, ein Anruf genügt”. Es lägen für die Forderungen der GDL Lösungsvorschläge vor “und wir fordern die Gewerkschaft erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren”. Streiks in der jetzigen Zeit, in der alle mit viel Kraft daran arbeiteten, die Folgen der Corona-Krise und der Flutkatastrophe zu bewältigen, würden die Kundinnen und Kunden und zehntausende Beschäftigte der Bahn “wie ein Schlag ins Gesicht treffen”.  

Der Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Dirk Neuß, rechnet mit “Chaos” im Bahnverkehr. Er forderte die GDL in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND; Dienstagsausgaben) auf, mögliche Streikpläne zumindest frühzeitig zu kommunizieren. Bahnkunden müssten “mindestens 24 Stunden vorher” Bescheid wissen. 

Neuß rief die Konfliktparteien dazu auf, sich erneut an den Verhandlungstisch zu setzen. Es sei klar, dass beide Tarifparteien Zugeständnisse machen müssten, sagte Neuß dem RND. “Mit einem eindeutigen Ergebnis der Urabstimmung könnte die GDL zurück an den Verhandlungstisch kehren, statt den Bahnverkehr lahmzulegen.”

SPD-Fraktionsvize und Verkehrspolitiker Sören Bartol übte scharfe Kritik an Weselsky: “Es ist nicht hilfreich, wenn Herr Weselsky zum Abschied noch eine One-Man-Show durchzieht”, sagte Bartol dem RND. “Die Bahn nimmt nach einer sehr schwierigen Zeit gerade wieder Schwung auf. Diese Erholung nicht gleich wieder abzuwürgen, ist im Interesse aller Beteiligten, auch der Mitglieder der GDL.” Er wünsche sich mehr Mäßigung und Sachlichkeit in der Auseinandersetzung, sagte Bartol. 

In dem Konflikt geht es im Hintergrund auch um die Konkurrenz der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Das seit Jahresbeginn geltende Tarifeinheitsgesetz (TEG) schreibt vor, dass in einem Betrieb der Tarifvertrag mit der Gewerkschaft gilt, die dort die meisten Mitglieder hat. Die GDL möchte ihren Einfluss ausbauen. 

Die Bahn hatte Mitte Juli als Kompromiss vorgeschlagen, dass künftig die Tarifverträge beider Gewerkschaften in einem Betrieb nebeneinander zur Anwendung kommen. Für ein GDL-Mitglied gälte dann das GDL-Tarifwerk, für ein EVG-Mitglied das EVG-Tarifwerk. Nichtorganisierte könnten zwischen einem der beiden Tarifwerke wählen. Dies lehnte die GDL Ende Juli ab. Die Bahn warf der Gewerkschaft zuletzt “egoistische Machtinteressen” vor. 

Quelle: AFP

Aktuelle Beiträge

Exklusiv Interviews

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Ihre E-Mail-Adresse wird nur für Werbe-E-Mails und kritische Nachrichtenankündigungen verwendet.