In Afghanistan toben weiter heftige Kämpfe

Copyright AFP Hoshang Hashimi

In Afghanistan toben weiterhin heftige Gefechte. In der Provinzhauptstadt Laschkar Gah im Süden des Landes lieferten sich Regierungstruppen am Dienstag Häuserkämpfe mit den vorrückenden radikalislamischen Taliban. Die Hauptstadt Kabul wurde am Abend von einer heftigen Explosion erschüttert. Die Vereinten Nationen forderten das Ende der Kämpfe in städtischen Gebieten.

Ein afghanischer Kommandeur rief die Bewohner von Laschkar Gah auf, die Stadt “so schnell wie möglich” zu verlassen. “Ich weiß, dass es sehr schwierig für euch ist (…), es ist auch hart für uns”, ließ General Sami Sadat über die Medien mitteilen. Aber die Armee werde bald eine Gegenoffensive starten, und “wir bekämpfen die Taliban wo auch immer sie sind.”

“Die Taliban sind überall in der Stadt, sie fahren auf Motorrädern durch die Straßen”, sagte ein Bewohner von Laschkar Gah der Nachrichtenagentur AFP. “Sie nehmen Menschen fest, die Smartphones haben, oder erschießen sie”. Weil die Aufständischen auch in den Häusern seien, habe die Regierung damit begonnen, diese zu bombardieren.

Die UN-Unterstützungsmission für Afghanistan zeigte sich “zutiefst besorgt” angesichts der Lage der rund 200.000 Bewohner der Provinzhauptstadt. Demnach waren neben den Bodentruppen der Taliban vor allem Luftangriffe der afghanischen Armee gefährlich für die Zivilbevölkerung. Nach UN-Angaben wurden seit Montag mindestens 40 Zivilisten getötet und mehr als hundert weitere verletzt.

Die Islamisten hatten am Montag das Stadtzentrum von Laschkar Gah angegriffen. Lokalen Medienberichten zufolge wurde um das Gefängnis sowie das Polizeihauptquartier am Dienstag weiter gekämpft.

Die vollständige Einnahme der Hauptstadt der Provinz Helmand durch die Taliban wäre ein harter Schlag für die Regierung. Der Verlust städtischer Gebiete könnte die Dynamik des Konflikts nach Einschätzung von Experten zugunsten der Islamisten verändern. Seit dem Beginn des Abzugs der Nato-Truppen aus Afghanistan haben die Taliban weite Teile des Landes erobert, bislang aber keine größeren Städte.

Am Abend erschütterte eine heftige Explosion Kabul. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten von einer riesigen Rauchwolke und Schüssen. Über die Ursache der Explosion herrschte zunächst Unklarheit. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen ereignete sich die Explosion nahe des Hauses von Verteidigungsminister Bismillah Mohammadi, der aber unverletzt blieb. Die Taliban und andere Gruppierungen hatten in der Vergangenheit immer wieder Sprengstoffanschläge in der Hauptstadt verübt.

In der ebenfalls belagerten Provinzhaupttadt Herat im Westen Afghanistans wehrten die Regierungstruppen nach offiziellen Angaben einen Angriff der Taliban ab. Insbesondere der für die Versorgung wichtige Flughafen sei wieder unter Kontrolle. Allerdings schlugen dort am Nachmittag erneut Raketen ein, zwei Flüge wurden gestrichen, wie Flughafenchef Schaheer Salehi zu AFP sagte.

Sowohl in Herat als auch in Laschkar Gah flog die US-Luftwaffe nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums Luftangriffe auf Stellungen der Taliban. Die in Afghanistan verbliebenen US-Truppen hatten zuletzt wieder vermehrt eingegriffen, um den Vormarsch der Islamisten zu stoppen. Beobachter befürchten, dass die Taliban nach dem vollständigen Abzug der Nato-Truppen wieder die Kontrolle in Afghanistan übernehmen könnten.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte, dass die Bundesregierung weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan festhält. Sie “zieht alle Register, um die Menschen noch gerade rechtzeitig loszuwerden, bevor die Taliban auch Kabul eingenommen haben”, erklärte die rechtspolitische Referentin bei Pro Asyl, Wiebke Judith. “Das offenbart eine menschenverachtende Haltung.”

Österreich stoppte derweil nach einer einstweiligen Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die geplante Abschiebung eines abgelehnten afghanischen Asylwerbers. Der EGMR begründete seine Entscheidung mit der “Sicherheitslage” am Hindukusch. Die Regierung in Wien sprach aber von einem Einzelfall, es gebe kein “pauschales Verbot” von Abschiebungen.

Quelle: AFP

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