In der äthiopischen Konfliktregion Tigray haben Aufständische die Hauptstadt Mekele besetzt und die Übergangsregierung in die Flucht geschlagen. Soldaten, die der früheren abtrünnigen Regionalregierung von Tigray die Treue halten, marschierten am Montag in die Stadt ein, wie ein Vertreter der Übergangsregierung sowie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Zentralregierung in Addis Abeba rief Staatsmedien zufolge einseitig eine Waffenruhe in Tigray aus.
Vor dem Einmarsch der Aufständischen in Mekele hatte es aus der von Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed eingesetzten Regionalregierung bereits geheißen, diese habe ihren Sitz verlassen. Die Kämpfer der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) hatten die Stadt demnach zunächst umzingelt.
Alle hätten Mekele “verlassen. Die letzten gingen am Nachmittag”, sagte ein Vertreter der Übergangsregierung, der anonym bleiben wollte. Tigray habe nun “keine Regierung” mehr.
Auch ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation bestätigte die Flucht von Tigrays Übergangsregierung. Am Abend waren demnach Freudenschüsse in der Stadt zu hören. Augenzeugen zufolge flohen auch Soldaten und Polizisten der Zentralregierung aus Mekele, während die Einwohner der Stadt die Ereignisse feierten und auf der Straße tanzten.
Abyis Regierung verkündete eine Feuerpause. “Eine bedingungslose, einseitige Waffenruhe ab heute, 28. Juni, wurde ausgerufen”, hieß es in einer Erklärung, aus der die Staatsmedien am Abend zitierten. Damit solle es den Bauern in der Region ermöglicht werden, in Frieden ihre Äcker zu bestellen. Außerdem könnten dank der Feuerpause unbehelligt Hilfsgüter an die Bevölkerung verteilt werden und die “TPLF-Truppen den Weg des Friedens wieder einschlagen”.
Zuvor hatte der staatsnahe Sender Fana gemeldet, der Chef der Übergangsregierung von Tigray, Abraham Belay, habe die Zentralregierung aufgerufen, aus humanitären Gründen einer Waffenruhe zuzustimmen, damit der Konflikt “nicht noch mehr Schaden” anrichte.
Äthiopische Regierungstruppen hatten im November die in Tigray regierende Volksbefreiungsfront TPLF angegriffen. Nach wenigen Wochen erklärte Regierungschef Abiy Ahmed die TPLF für besiegt. Seine Regierung setzte eine Übergangsverwaltung in Mekele ein. Doch auch Monate später gingen die Kämpfe weiter.
Die mehr als fünf Millionen Einwohner der Region wurden deswegen fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Hilfsorganisationen zufolge leiden in Folge der Kämpfe 350.000 Menschen in Tigray unter einer Hungersnot.
Quelle: AFP