Der ultrakonservative Kandidat Ebrahim Raisi hat wie erwartet, aber bei historisch niedriger Beteiligung die Präsidentschaftswahl im Iran gewonnen. Der Justizchef erhielt am Freitag knapp 62 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium in Teheran am Samstag mitteilte. Mit 48,8 Prozent fiel die Wahlbeteiligung so niedrig aus wie noch nie bei einer iranischen Präsidentschaftswahl; zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt.
Das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, lobte dennoch einen Sieg “der iranischen Nation” über “die Propaganda der Söldner-Medien des Feindes”. Vor der Wahl hatte er seine Landsleute wiederholt aufgefordert, die von der Exil-Opposition verbreiteten Aufrufe zum Boykott der Wahl zu ignorieren.
Weit abgeschlagen hinter Raisi landeten der frühere Chef der Revolutionsgarden Mohsen Resai, der reformorientierte Ex-Zentralbankchef Abdulnasser Hemmati und der ultrakonservative Abgeordnete Amirhossein Ghasisadeh-Haschemi.
Wahlberechtigt waren mehr als 59,3 Millionen Iraner. Da mit einer niedrigen Beteiligung gerechnet wurde, war die Öffnung der Wahllokale um zwei Stunden verlängert worden.
Das Feld der Bewerber war zuvor von etwa 600, darunter 40 Frauen, auf sieben ausschließlich männlich Kandidaten reduziert worden. Drei von ihnen warfen kurz vor der Wahl das Handtuch.
Nicht kandidieren durfte etwa der moderat-konservative Ex-Parlamentspräsident und Chefunterhändler des Atomabkommens, Ali Laridschani. Auch der populistische ehemalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad wurde vom Wächterrat der Kleriker und Juristen von der Kandidatur ausgeschlossen. In einer Videobotschaft kündigte er daraufhin an, er werde nicht wählen, weil “ich keinen Anteil an dieser Sünde haben will”.
Raisis Wahl galt bereits im Vorfeld als nahezu sicher. Der 60-jährige Geistliche sieht sich als Nachfahre des Propheten Mohammed, im schiitischen Klerus hat er den zweithöchsten Rang eines Hodschatoleslam inne. Er gilt als enger Verbündeter des geistlichen Oberhauptes Chamenei und als dessen möglicher Nachfolger.
Als Politiker präsentiert sich Raisi als “unerbittlicher” Kämpfer gegen Armut und Korruption. Er wolle das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung für ein “helles und angenehmes Zusammenleben” stärken, sagte der künftige Präsident am Samstag. In vielen sozialen Fragen einschließlich der Rolle der Frauen im öffentlichen Leben vertritt er höchst konservative Ansichten.
Oppositions- und Menschenrechtsgruppen bringen Raisis Namen vor allem mit Massenexekutionen von politischen Gefangenen im Jahr 1988 in Verbindung. Sein Aufstieg zum Staatschef “anstelle von Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verschwindenlassen und Folter ist eine düstere Erinnerung daran, dass im Iran Straflosigkeit herrscht”, erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Samstag. Raisi bestreitet jegliche Verantwortung für die Exekutionen.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, bezeichnete den Wahl-Sieger als “Scharfrichter mit einer blutigen Menschenrechtsbilanz”. “Seine Wahl ist ein schwerer Schlag gegen alle Versuche, das Atomabkommen zu retten.”
Angesichts der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise im Iran ist die Unzufriedenheit der Bürger groß. Die Wirtschaft des ölreichen Landes ist infolge der strikten US-Sanktionen am Boden, die Bevölkerung leidet unter der anhaltenden Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Corona-Krise verschlimmerte die Lage zusätzlich.
Der größte Erfolg des amtierenden Präsidenten Hassan Ruhani war das Atomabkommen mit den USA, woraufhin Sanktionen abgebaut worden waren. Der spätere US-Präsident Donald Trump machte die Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufschwung mit seiner Politik des maximalen Drucks auf Teheran allerdings zunichte und stieg aus dem Abkommen aus.
Irans Ultrakonservative hatten den moderaten Ruhani wegen des Scheitern des Abkommens und der neuen US-Sanktionen scharf kritisiert. Trotzdem haben sich viele hochrangige iranische Politiker und auch Raisi dafür ausgesprochen, sich bei den derzeit laufenden Verhandlungen in Wien für die Rettung des Abkommens einzusetzen.
Quelle: AFP