Ein höchst ungewöhnliches Kreuzverhör hat sich bei einem Mordprozess im US-Bundesstaat Florida zugetragen: Ein der Ermordung seiner Freundin und seiner Tochter angeklagter Mann durfte vor Gericht seinen eigenen Sohn befragen, der gegen ihn aussagt. “Habe ich dir in der Nacht des Vorfalls wehgetan?”, fragte Ronnie Oneal seinen Sohn. “Ja”, antwortet dieser. “Und wie habe ich dir wehgetan?”, hakte der Vater nach. “Du hast auf mich eingestochen.”
Oneal soll vor drei Jahren seine Freundin niedergeschossen und totgeprügelt, seine neunjährige Tochter mit einer Axt erschlagen und seinen damals achtjährigen Sohn niedergestochen und in Brand gesetzt haben. Bei einer Verurteilung droht dem 32-Jährigen die Todesstrafe.
Vor dem Gericht in der Stadt Tampa erlaubte die Richterin Oneal, sich selbst zu verteidigen, nachdem er sich von seinen Anwälten getrennt hatte. Die Richterin war der Auffassung, dass er dazu geistig in der Lage und ausreichend gebildet ist. Oneal durfte deswegen diese Woche seinen per Video zugeschalteten Sohn befragen, der nach der Bluttat von einem in dem Fall ermittelnden Polizisten adoptiert worden war.
Das Kreuzverhör begann in lockerem Ton. “Wie geht es dir? Schön dich zu sehen, Mann”, sagte Oneal zu seinem Sohn. “Schön dich zu sehen”, antwortete der Elfjährige. Dann wurde es ernst: Oneal versuchte rund 20 Minuten lang, mutmaßliche Widersprüche in den Aussagen seines Sohnes auszumachen. Er verwies unter anderem auf unterschiedliche Aussagen des Jungen gegenüber der Polizei und vor Gericht.
Oneal ließ seinen Sohn auch sagen, dass er die Ermordung seiner Mutter nicht direkt gesehen hatte. Der Junge schilderte aber die Ermordung seiner Schwester: “Er hat ihr mit der Axt auf den Hinterkopf geschlagen. Ich habe gesehen, wie ihre Augen sich verdrehten.”
Oneal versucht vor Gericht, sich als Opfer einer Verschwörung darzustellen. “Der ganze Fall ist manipuliert”, sagte er zwei Tage vor dem Kreuzverhör seines Sohnes in erregtem Tonfall an die Geschworenen gewandt. “Wenn alles gesagt und getan wurde, werden Sie sehen, wer die Massenmörder sind.”
In den USA können Angeklagte sich vor Gericht selbst verteidigen und dabei auch Zeugen befragen – selbst, wenn es sich um Opfer ihrer Taten handelt. Dass ein Vater seinen eigenen Sohn befragt, ist Experten zufolge aber höchst ungewöhnlich.
Quelle: AFP