Österreich will eine Allianz aus EU-Staaten schmieden, um eine dauerhafte Aufweichung der europäischen Defizit- und Schuldenregeln zu verhindern. Es sei nötig, die hohen Schuldenstände der Mitgliedstaaten durch die Corona-Pandemie “mittel- und langfristig” abzubauen, um “vorzusorgen für die nächste Krise”, sagte Finanzminister Gernot Blümel am Freitag beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg. In einem Brief zeigte sich Blümel besorgt über Vorschläge zur “Aushöhlung” des Stabilitäts- und Wachstumspakts.
Wegen der massiven wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hatte die EU-Kommission im März vergangenen Jahres erstmals die europäischen Regeln für Haushaltsdefizite und Gesamtverschuldung der Mitgliedstaaten ausgesetzt. Dies sollte es den Regierungen ermöglichen, massive Konjunktur- und Hilfsprogramme für die Wirtschaft aufzulegen, ohne Sanktionen aus Brüssel fürchten zu müssen. Die Behörde hatte Anfang Juni erklärt, dies werde auch für das Jahr 2022 gelten.
Die Kommission hat darüber hinaus für den Herbst Gespräche über eine Reform der Regeln angekündigt, die vor allem im Süden Europas als zu starr und strikt angesehen werden. Er sei “etwas besorgt über einige Beiträge, die einen regelbasierten Rahmen in Frage stellen”, schrieb Blümel in einem Brief an mehrere EU-Kollegen. “Wir sollten den Weg des Strebens nach nachhaltigen öffentlichen Finanzen nicht verlassen.”
Die Ausnahmen für die Corona-Krise müssten deshalb “temporär” bleiben, forderte Blümel in Luxemburg. “Die aktuelle Überschuldung darf nicht der Normalzustand sein.” Mit dieser Position stehe Österreich “nicht alleine da, sondern viele Mitgliedstaaten sehen das so”. Er wolle deshalb in den kommenden Monaten eine starke “Allianz der Verantwortung” schmieden.
Österreich gehört neben den Niederlanden, Finnland und Schweden zu einer Gruppe von Ländern, die in der EU traditionell auf eine solide Haushaltsführung pochen. In Luxemburg führte Blümel dem Vernehmen nach nun Gespräche mit Kollegen aus insgesamt zehn Ländern.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hatte schon Anfang Juni Erwartungen an eine Reform des Stabilitätspakts gedämpft. Diese sei “kontrovers” und werde “nicht einfach”, sagte der Italiener.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt soll finanzpolitische Sicherheit in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sicherstellen. Ihm zufolge dürfen die Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten normalerweise drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Die Gesamtverschuldung soll zudem nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Bei anhaltenden Verstößen drohen den Mitgliedstaaten Geldbußen.
Quelle: AFP