Nach dem Machtwechsel in Israel hat die neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen. Ministerpräsident Naftali Bennett erhielt am Montag eine Unterweisung durch den Nationalen Sicherheitsberater Meir Ben-Schabbat, bevor er mit seinem Kabinett aus 26 Ministern vom scheidenden Präsidenten Reuven Rivlin empfangen wurde. Der neue Außenminister Jair Lapid kündigte an, das Verhältnis zu Europa und zu den US-Demokraten verbessern zu wollen.
Das israelische Parlament hatte am Sonntagabend den rechten Hardliner Bennet mit hauchdünner Mehrheit zum Nachfolger von Benjamin Netanjahu bestimmt, der seit 2009 ununterbrochen im Amt war. 60 der insgesamt 120 Knesset-Abgeordneten stimmten für die neue Koalition aus acht Parteien, 59 Abgeordnete votierten dagegen.
Nach einem Treffen mit seinem Amtsnachfolger traf Netanjahu die Chefs der Oppositionsparteien. “Wir haben eine starke Opposition”, die entschlossen sei, “diese gefährliche linksgerichtete Regierung zu stürzen, diese betrügerische Regierung, die schnell auseinanderfallen wird”, sagte der Ex-Regierungschef.
Ein Telefonat mit US-Präsident Joe Biden gehörte zu den ersten Amtshandlungen Bennetts. Israels wichtigster Verbündeter USA reagierte sofort auf den Regierungswechsel. Biden, derzeit auf Europa-Reise, erklärte, er freue sich darauf, mit Bennett “zusammenzuarbeiten, um alle Aspekte der engen und beständigen Beziehung zwischen unseren beiden Nationen zu stärken”. “Israel hat keinen besseren Freund als die USA”, betonte der US-Präsident. Zugleich verwies er darauf, dass die Zusammenarbeit zu “Sicherheit, Stabilität und Frieden für Israelis, Palästinenser und Menschen in der ganzen Region” beitragen solle.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Bennett zu seinem neuen Amt, das dieser nach zwei Jahren an seinen Bündnispartner Jair Lapid von der liberalen Partei Jesch Atid abgeben soll. Deutschland und Israel verbinde “eine einzigartige Freundschaft, die wir weiter vertiefen wollen”, schrieb Merkel in einem Glückwunschschreiben. Sie freue sich daher “auf die enge Zusammenarbeit”. EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Bennett und Lapid ebenfalls. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte Bennett.
Lapid sagte, er wolle das Verhältnis zu den US-Demokraten und zu Europa verbessern. “Unsere Beziehungen zu den Ländern der Europäischen Union sind nicht gut genug, unsere Beziehungen mit zu vielen Regierungen wurden vernachlässigt und sind feindselig geworden”, sagte der liberale Politiker.
Außer Lapids Jesch Atid und Bennetts nationalistischer Jamina-Partei gehören dem neuen Regierungsbündnis unter anderem die linke Meretz-Partei und die konservativ-islamische Raam-Partei an. Die ungleichen Partner brachte vor allem ihr Wunsch zusammen, den unter Korruptionsanklage stehenden Netanjahu abzulösen. Politisch trennt sie vieles: Während Bennetts Jamina-Partei für eine siedlerfreundliche Politik steht und die Annexion von Teilen des Westjordanlands befürwortet, treten unter anderem Meretz und Raam offensiv für eine verbesserte Situation für die Palästinenser ein.
Eine erste Herausforderung steht der neuen Regierung voraussichtlich am Dienstag bevor, wenn israelische Nationalisten einen umstrittenen Flaggenmarsch nachholen wollen. Wegen der geplanten Route durch das von Israel annektierte Ost-Jerusalem war er vergangene Woche abgesagt worden.
Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh bezeichnete die zu Ende gegangene Ära Netanjahu als “eine der schlimmsten Zeiten” des Nahost-Konflikts. Er mache sich aber auch keine Illusionen über das Verhältnis zur neuen Regierung. “Wir betrachten die neue Regierung nicht als weniger böse als die vorherige”, sagte Schtajjeh in Ramallah. Er verurteile Aussagen des neuen Regierungschefs Bennett, wonach dieser israelische Siedlungen im besetzen Westjordanland unterstütze.
Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas erklärte, der Regierungswechsel in Israel ändere nichts “an der Natur unserer Beziehung”. “Es ist immer noch eine Kolonial- und Besatzungsmacht, der wir uns widersetzen müssen”, sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum.
Israels Erzfeind Iran spielte die Bedeutung des Regierungswechsels ebenfalls herunter. Er glaube nicht, “dass die Politik des Besatzungsregimes in Jerusalem sich mit der Ankunft einer Person oder des Weggangs einer anderen Person ändern wird”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran.
Quelle: AFP