Nachbarn dürfen einen auf ihr Grundstück herüberragenden Baum auch dann zurückschneiden, wenn er dadurch seine Standfestigkeit verlieren könnte oder abzusterben droht. Das gilt auch, wenn das Grundstück von dem Baum nur mittelbar beeinträchtigt wird – etwa durch herabgefallene Nadeln oder Zapfen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Freitag in einem Berliner Nachbarschaftsstreit entschied. Dort hatte ein Mann nach Jahren der Auseinandersetzung zur Astschere gegriffen und die nachbarliche Schwarzkiefer zurückgeschnitten. (Az. V ZR 234/19)
Die Baumbesitzer verklagten ihn vor dem Amtsgericht Pankow darauf, dass er in mehr als fünf Metern Höhe nichts abschneiden darf, um die Standsicherheit nicht zu gefährden. Vor dem Amtsgericht und auch in der Berufung vor dem Landgericht bekamen sie Recht. Die Berliner Gerichte begründeten ihre Entscheidung auch damit, dass Nachbarn zwar herüberragende Äste abschneiden dürften, aber nicht nur wegen herabfallender Nadeln oder Zapfen.
Dies sah der BGH anders. Wenn er den Nachbarn zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt habe und diese sich nicht daran hielten, dürfe der Mann auch in diesem Fall selbst zur Schere greifen, erklärte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann bei der Urteilsverkündung am Freitag. Dies habe der BGH schon vor einigen Jahren entschieden.
Das Selbsthilferecht gelte auch, wenn der Baum durch den Rückschnitt eingehen könne. “Das klingt hart, ist aber richtig, weil der Besitzer dafür zu sorgen hat, dass der Baum nicht zu nahe an der Grenze steht und die Äste nicht über die Grenze wachsen”, sagte sie. Der Senat hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung zurück.
Es ist nämlich möglich, dass die Schwarzkiefer trotzdem nicht zurückgeschnitten werden darf – und zwar wenn der Naturschutz dem entgegensteht. Ob der Baumstamm dick genug ist, dass hier die Berliner Baumschutzverordnung greift, darüber sind sich die zerstrittenen Nachbarn aber ebenfalls nicht einig. Das Landgericht muss dies nun klären.
Quelle: AFP