Wegen Plagiaten in ihrer Dissertationsschrift verliert die frühere Bundesfamilienministerin und Spitzenkandidatin der Berliner SPD zur Abgeordnetenhauswahl im September, Franziska Giffey, ihren Doktortitel. Wie die Freie Universität Berlin am Donnerstag mitteilte, fasste das Hochschulpräsidium “nach umfassender Beratung einstimmig” den Beschluss, der 43-jährigen Politikerin den Doktorgrad zu entziehen. Zur Begründung hieß es, der Titel sei durch “Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung” erworben worden.
Es seien Texte und Literaturnachweise anderer Autorinnen und Autoren übernommen worden, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei, erklärte die Universität. Giffey habe dabei “mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt”. Die Arbeit genüge “nicht den Anforderungen an die gute wissenschaftliche Praxis”.
“Diese Entscheidung akzeptiere ich”, teilte Giffey am Donnerstag nach Bekanntgabe des Doktortitelentzugs mit. Sie stehe jedoch nach wie vor zu ihrer Aussage, “dass ich die im Jahr 2009 eingereichte Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst habe”. “Fehler”, die ihr bei der Anfertigung der Arbeit unterlaufen seien, bedaure sie. “Diese waren weder beabsichtigt noch geplant.”
In einem ersten Verfahren war Giffey im Oktober 2019 von der Hochschule eine Rüge erteilt worden. Das Verfahren wurde jedoch im November vergangenen Jahres neu aufgerollt. Die Ministerin teilte als Reaktion auf die neue Prüfung ihrer Dissertation damals mit, ihren Doktortitel nicht mehr führen zu wollen.
Die Berliner Grünen-Chefin Nina Stahr erklärte, mit der Entziehung des Titels ende “ein unsägliches Hin und Her, das das Vertrauen in Politik und Wissenschaft gleichermaßen beschädigt hat”. Giffey “täte gut daran, ihre Verantwortung dafür nicht weiter schön zu reden”. Sie zeige mit ihrer Reaktion, “dass sie ihren Fehler klein reden und herunterspielen will”.
Die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) verwies darauf, dass “unsere international renommierte Wissenschaft ein wesentlicher Standortvorteil für unsere Wirtschaft” sei. Sie wünsche sich daher, “dass eine künftige Regierende Bürgermeisterin mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit für die Wissensstadt Berlin eintritt, wie es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist”.
Der forschungspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Adrian Grasse, forderte Konsequenzen “aus dem größten Skandal in der deutschen Wissenschaft”. Es erhärte sich der Verdacht, “dass im ersten Verfahren gezielt versucht wurde, die Plagiate als minderschwer einzuordnen und eine Rüge zu erteilen”, erklärte er. Die Freie Universität müsse klären, welche Verantwortung Giffeys Doktormutter zukomme und ob sie als Vorsitzende des Promotionsausschusses noch länger tragbar sei.
Bereits im August 2019 hatte Giffey erklärt, ihr Ministeramt im Fall einer Aberkennung des Doktortitels niederzulegen. Am 19. Mai trat sie zurück. Giffey will aber Spitzenkandidatin der SPD für die Abgeordnetenhauswahl am 26. September bleiben. Die Plagiatsaffäre ist dabei eine Unbekannte für die Hauptstadt-SPD, die trotz allem an Giffey festhält.
Die Berliner SPD konzentriere sich “mit der Spitzenkandidatin Franziska Giffey auf den Wahlkampf und die Zukunft der Stadt”, teilte Ko-Landesparteichef Raed Saleh am Donnerstag mit. Nur die Berliner würden entscheiden, “wem sie das Rote Rathaus zutrauen”.
Die Berliner AfD fordert Giffey auf, ihre Kandidatur für das Amt der Berliner Regierungschefin aufzugeben. “Wer trickst und täuscht, kann nicht Regierende Bürgermeisterin werden”, erklärte der wissenschaftspolitische Fraktionssprecher Martin Trefzer. “Berlin ist keine Resterampe für gescheiterte Bundespolitiker.”
Quelle: AFP