Papst Franziskus hat das Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx überraschend zurückgewiesen. In einem am Donnerstag vom Vatikan veröffentlichten Brief schrieb Franziskus zur Bitte des Kardinals, dieser solle entgegen seinem Wunsch als Erzbischof von München und Freising im Amt bleiben. Marx erklärte, mit dieser Entscheidung nicht gerechnet zu haben. Während die katholischen Laien sie begrüßten, kritisierten Opfervertreter den Papst.
Marx hatte am vergangenen Freitag bekannt gegeben, dass er dem Papst im Mai in einem Brief um die Entbindung von seinem Amt als Münchner Erzbischof gebeten habe und dass der Papst die Veröffentlichung dieses Rücktrittswunschs erlaubt habe. Der 67-jährige Münchner Kardinal hatte sein Gesuch damit begründet, “Mitverantwortung” für die “Katastrophe des sexuellen Missbrauchs” übernehmen zu wollen.
In seiner Antwort bezeichnete sich der Papst gegenüber Marx als “Dein Bruder, der Dich liebt”. In der Antwort auf das Gesuch ging Franziskus auf das Bittschreiben von Marx ein. Darin bestätigt der Papst, dass es die Kirche mit einer “Katastrophe” zu tun habe. Außerdem zitierte er eine Stelle, in der Marx anbot, sich gern weiter in der Seelsorge für die von Franziskus angemahnte geistliche Erneuerung der Kirche einsetzen zu wollen. Dazu schrieb Franziskus: “Und genau das ist meine Antwort, lieber Bruder – mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.”
Der Papst begründete das Festhalten an Marx zudem mit einem Vergleich mit dem Apostel Petrus, der der erste Bischof von Rom gewesen sein soll. Als Petrus zu Jesus gesagt habe, “geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder”, habe er von Jesus die Antwort bekommen, “weide meine Schafe”.
Marx zeigte sich berührt von der Antwort des Papsts, von der Entscheidung als solcher aber überrascht. “Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell reagieren würde, und auch seine Entscheidung, dass ich meinen Dienst als Erzbischof von München und Freising weiter fortführen soll, habe ich so nicht erwartet”, erklärte er.
Er werde “gehorsam” die Entscheidung des Papsts akzeptieren, kündigte Marx an. Es dürfe aber kein Weiter so geben – er wolle im Erzbistum München überlegen, welche neuen Wege gegangen werden können und wie die Kirche erneuert werden könne. Marx erklärte, er empfinde die Entscheidung des Papsts “als große Herausforderung”. “Danach einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, kann nicht der Weg für mich und auch nicht für das Erzbistum sein.”
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, erklärte, die Ablehnung sei als Kompliment zu lesen. “Die Begründung, die der Papst gibt, ist bemerkenswert. Er bestätigt die Krisenanalyse des Kardinals in vollem Umfang, er beschönigt nichts.”
Der Laienvertreter zeigte sich dankbar, dass Marx Bischof bleibe. Sein Rücktrittsangebot öffentlich zu machen sei ehrenwert gewesen. “Er hat damit auch den Druck auf andere Bischöfe erhöht, sich klarer für Reformen auszusprechen und persönliche Verantwortung für Fehler zu übernehmen.” Aber letztlich brauche die katholische Kirche in Deutschland Marx.
Matthias Katsch, Sprecher des für Missbrauchsopfer eintretenden Eckigen Tischs, erklärte, Marx habe mit seinem Rücktrittsangebot auf die Verantwortung aller Bischöfe gezielt, auch die des Bischofs von Rom und damit des Papsts. “Mit seiner Entscheidung, den Rücktritt nicht anzunehmen, nimmt Franziskus dem Rücktrittsangebot von Kardinal Marx die Wucht.” Katsch warf dem Papst auch vor, Machtmissbrauch und Missbrauchsvertuschung als Folge von früher anderen Zeiten darzustellen und so zu relativieren – dies sei “besonders erschreckend”.
Quelle: AFP