Nach der Entdeckung der sterblichen Überreste von 215 Kindern kanadischer Ureinwohner hat Premierminister Justin Trudeau der Opfer von Zwangsintegration gedacht. Vor der zu einer provisorischen Gedenkstätte umfunktionierten Centennial Flame – einer symbolischen Flamme – gegenüber dem Parlament in Ottawa legte Trudeau am Dienstag neben unzähligen Kinderschuhen und Stofftieren einen Blumenstrauß ab. Er kniete dann schweigend nieder, bevor er mit einer indigenen Passantin einige Worte wechselte.
Die grausige Entdeckung auf dem Gelände eines ehemaligen Internats hatte landesweit für Beschämung und Erschütterung gesorgt. Das katholische Heim nahe der Kleinstadt Kamloops in der westkanadischen Provinz British Columbia war vor mehr als hundert Jahren eröffnet worden, um Kinder von Ureinwohnern zwangsweise in die Gesellschaft der europäischen Einwanderer zu integrieren. Der Tod der Kinder wurde nach Angaben der indigenen Gemeinschaft Tk’emlups te Secwepemc von der damaligen Schulleitung nie dokumentiert.
In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3200 dieser Kinder, die meisten an Tuberkulose.
Ottawa entschuldigte sich im Jahr 2008 offiziell bei Überlebenden der Internate. Sie seien Opfer eines “kulturellen Genozids”, stellte eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 fest. Am Montag kündigte Trudeau “konkrete Schritte” zur Unterstützung überlebender Internatsbewohner und der traumatisierten Ureinwohner an.
Quelle: AFP