Johnsons Trip nach Brüssel bringt keinen Durchbruch in Post-Brexit-Gesprächen

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Der Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson in Brüssel hat keinen Durchbruch in den festgefahrenen Gesprächen über ein Handelsabkommen nach dem Brexit gebracht. Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellten am Mittwochabend nach einem Abendessen weiter große Differenzen fest. Sie setzten sich eine Frist bis Sonntag, um über die Zukunft der Gespräche zu entscheiden.

“Wir hatten eine lebhafte und interessante Diskussion über den Stand der Dinge bei den offenen Fragen”, erklärte von der Leyen nach dem gut dreistündigen Abendessen mit Johnson. “Wir verstehen die Positionen des anderen. Sie liegen nach wie vor weit auseinander.”

Die Verhandlungsteams sollten nun “unverzüglich wieder zusammenkommen, um zu versuchen, diese Fragen zu lösen”, erklärte die Kommissionschefin. “Wir werden bis zum Ende des Wochenendes zu einer Entscheidung kommen.”

Nach Angaben aus EU-Kreisen sollen die Verhandlungen am Donnerstagmorgen wieder aufgenommen werden. Beim am selben Tag beginnenden EU-Gipfel soll der Brexit keine prominente Rolle spielen. “Es gibt keine Absicht, eine Diskussion zu der Frage abzuhalten”, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel in seinem Einladungsschreiben. Demnach soll von der Leyen nur über den Stand informieren.

“Bis Sonntag” solle “eine verbindliche Entscheidung über die Zukunft der Gespräche” fallen, hieß es aus der Londoner Downing Street. Demnach gibt es weiter eine “sehr große” Kluft zwischen beiden Seiten und es sei unklar, “ob diese überbrückt werden kann”.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, doch bleibt das Land noch bis Jahresende im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In der Übergangsphase ist es bisher nicht gelungen, ein Post-Brexit-Handelsabkommen auszuhandeln.

Inzwischen ist die Zeit für die rechtzeitige Ratifizierung eines Abkommens bis zum Jahresende äußerst knapp. Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen sind nach wie vor faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern. 

Die “eigentlich große Frage” bei den Verhandlungen seien die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwochvormittag im Bundestag. In diesem Punkt brauche es “befriedigende Antworten”. 

Denn die EU hat Großbritannien weiter umfassenden Zugang zum europäischen Binnenmarkt ohne Zölle und Mengenbeschränkungen in Aussicht gestellt. Brüssel fordert dafür aber, dass die Briten sich auch in Zukunft an EU-Standards etwa im Umwelt- oder Sozialbereich halten und Firmen auf dem Kontinent nicht durch unfairen Wettbewerb unterbieten.

Johnson hatte seinerseits Brüssel vor seiner Abreise zur Kompromissbereitschaft bei den EU-Standards aufgerufen. Die EU bestehe derzeit darauf, dass Großbritannien ihre neuen Gesetze und Regelungen übernehme, sagte er. Ansonsten wolle sie “automatisch das Recht (….), uns zu bestrafen und zurückzschlagen”. Dies könne London nicht akzeptieren.

Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann nicht nur mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr, sondern auch mit Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen. 

© Agence France-Presse

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