Eine grundlegende Änderung der Landnutzung in Deutschland hat der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) angemahnt. “Nur wenn sich unser Umgang mit Land grundlegend ändert, können die Klimaschutzziele erreicht, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nachhaltig gestaltet werden”, heißt es im aktuellen Gutachten des Beratergremiums der Bundesregierung, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
In dem Papier mit dem Titel “Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration” schlagen die Experten beispielhaft fünf “Mehrgewinnstrategien” vor, um Konkurrenzen zwischen Nutzungsansprüchen zu überwinden.
In der ersten Strategie geht es um vermehrte Renaturierung. Die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens seien nur erreichbar, wenn ergänzend zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zudem Landflächen verstärkt dazu genutzt würden, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen, schreiben die Expertinnen und Experten. Möglichkeiten dazu müssten sowohl lokal wie auch national und international identifiziert und genutzt werden.
Um den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen, müssten zudem “effektive, vernetzte Schutzgebietssysteme” geschaffen werden, fordert der WBGU. Dies sei “eine entscheidende Voraussetzung dafür, die globale Biodiversitätskrise zu entschärfen und grundlegende Ökosystemleistungen aufrechtzuerhalten”.
Derzeit erlebe die Biodiversität weltweit “ein dramatisches, durch den Menschen verursachtes Massenaussterben”. Damit nehme aber auch die Fähigkeit der Ökosysteme erheblich ab, zu Klimaregulierung und Ernährungssicherung beizutragen. Gemäß den Zielen der internationalen Konvention über biologische Vielfalt (CBD) drängen die Wissenschaftler auf die Ausweisung von 30 Prozent der weltweiten Landfläche als Schutzgebiete.
Deutliche Kritik gibt es an der bislang vorwiegend praktizierten industriellen Landwirtschaft. Diese zerstöre nicht nur natürliche Lebensgrundlagen, sondern gefährde auch durch Über- und Fehlkonsum von Nahrung die Gesundheit vieler Menschen während zugleich andere Hunger leiden.
Als Ausweg empfehlen die Experten eine “umfassende Ökologisierung” des Agrarsektors. Statt flächenbasierter Direktzahlungen an Landwirte, wie sie besonders in der EU üblich sind, sollten “Agrarsubventionen immer an ökologische Verbesserungen geknüpft werden”.
Zugleich müssten aber auch die Menschen ihre Ernährungsstile ändern, heißt es in dem Text weiter. Begrüßt wird, dass in Europa bereits “ein entsprechender Wertewandel hin zu einem verringerten Fleischkonsum zu verzeichnen” sei. Die Experten empfehlen jedoch, zur Unterstützung dieses Wandels müssten “die durch Ökosysteme erbrachten Leistungen” sowie die Kosten durch deren Zerstörung “möglichst vollständig in die Preise für Nahrungsmittel einfließen”.
Schließlich empfehlen die Experten eine stärkere “stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse”. Eine solche “Bioökonomie” biete “vielfältige Optionen, emissionsintensive Prozesse und fossile Rohstoffe zu ersetzen”.
Allerdings könne dies in Konkurrenz zu Artenschutz und Nahrungsmittelproduktion stehen, warnen die Experten. Daher müsse die Nutzung von Biomasse strengen Nachhaltigkeitskriterien unterliegen. Positiv bewertet der Beirat die stärkere Nutzung von Holz als Baustoff, allerdings ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachhaltigkeit.
“Land ist ein globales Gemeingut: Die Menschheit muss Gestaltungsverantwortung für das Land übernehmen, um Klimaschutz, Biodiversitätserhaltung und Ernährungssicherung zu ermöglichen, und diese national umsetzen sowie international durchsetzen”, heißt es in dem Papier. Das Ziel müsse Priorität erhalten, “die Zerstörung der terrestrischen Ökosysteme zu beenden und massiv in ihre Erhaltung und Renaturierung zu investieren”. Ein Instrument dafür könnten neue “globale Bewahrungsgemeinschaften” von Staaten oder auch anderen Akteuren auf internationaler Ebene sein.
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