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Oberbürgermeister Czisch im Interview

Herr Czisch, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und sich unseren Fragen stellen.

1) Und damit direkt zur Corona-Krise: Wie sieht im Moment eigentlich Ihr Arbeitsalltag aus?

Der Arbeitsalltag bei uns im Rathaus wird gegenwärtig natürlich stark von den Auswirkungen der Pandemie geprägt: Nahezu täglich gibt es neue oder angepasste Verordnungen zu immer spezielleren Fragen, wir sind im ständigen Dialog mit Organisationen und Betrieben, die besonders betroffen sind. Die Stadtverwaltung und die städtischen Gesellschaften kümmern sich um die Umsetzung der Verordnung in die konkrete Praxis vor Ort. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit den Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, weil wir den Kindern und Eltern möglichst schnell eine Perspektive geben wollen.

2) Die Corona-Krise bestimmt den Verwaltungsalltag. Was stünde bei Ihnen auf der Agenda ganz oben, wenn es die Krise nicht gäbe?

Es gibt kein Entweder oder, unsere normale Arbeit läuft ja weiter: Bebauungspläne oder Bauprojekte müssen auf den Weg gebracht werden, damit beispielsweise Schulen saniert oder Wohnungen gebaut werden können, Genehmigungen müssen erteilt, Kontrollen durchgeführt, Geburten und Sterbefälle registriert werden, ja es gab auch weiterhin Trauungen. Selbst bei den Einrichtungen wie Bibliothek, Museum, Theater und Donaubad, die wir schließen mussten, wurde hinter den Kulissen großteils weiter gearbeitet. Unsere Kämmerei bereitet derzeit den Haushaltsplanentwurf für 2021 vor…. Der normale Dienstbetrieb wurde die ganze Zeit aufrecht erhalten, auch wenn die Rahmenbedingungen deutlich erschwert waren. Sie sehen, es gibt also fast nichts, was wirklich still steht. Dennoch: Bis zur Sommerpause hätten wir das Berblinger Jubiläum gefeiert, den Landesposaunentag, das Internationale Donaufest und natürlich das Schwörwochenende. Diese Veranstaltungen mussten wir entweder ganz absagen oder deutlich umplanen. Für mich persönlich bedeutet die Corona-Krise derzeit: Ich verbringe viel mehr Zeit am Schreibtisch, in Video- und Telefonkonferenzen. Was mir gerade am meisten fehlt, ist der direkte Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern, das Gespräch mit den Leuten.

3) Wie treffen Sie Entscheidungen, um die Ausbreitung von Corona in Ulm einzuschränken?

Zu Beginn der Krise mussten wir in enger Abstimmung mit dem Gemeinderat oft binnen weniger Stunden für Ulm eigene Regelungen in Kraft setzen. Dabei haben wir eng mit den Landräten des Alb-Donau-Kreises, des Landkreises Neu-Ulm und dem Kollegen der Stadt Neu-Ulm zusammengearbeitet. Insbesondere mit dem Alb-Donau- Kreis, wo das für Ulm zuständige Gesundheitsamt angesiedelt ist, haben wir die Arbeit unseres Krisenstabs eng abgestimmt. Seit Ende März gibt es landeseinheitliche Vorgaben, die jeder als Corona-Verordnung kennt. Unsere Aufgabe ist es jetzt vor allem, diese Verordnung in der Ulmer Praxis umzusetzen. Es geht jetzt also darum, den Blick auf die von Vorschriften Betroffenen zu richten und praxistaugliche Lösungen zu finden.

4) Mit wem stehen Sie in ständigem Kontakt?

Ich bespreche mich mit Kolleginnen und Kollegen, informiere mich bei Betriebsleitungen und Organisationen, die entweder von der Krise betroffen oder Helfer sind, und bin in vielen Videokonferenzen auf Landesebene, zum Teil auf Bundesebene, beteiligt, um die kommunalen und die speziellen Ulmer Belange einzubringen. Außerdem telefoniere ich viel mit Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft, um zu fragen, wo es Probleme gibt, Lösungen zu diskutieren und um mir ein konkretes Bild von der Lage zu machen.

5) Die Krisenbewältigung läuft in Ulm allem Anschein nach recht positiv. Sind Sie so weit zufrieden?

Ich bin sehr froh, dass es uns bisher gelungen ist, das Infektionsgeschehen in Grenzen zu halten. Zurücklehnen darf man sich aber nicht. Sehr zufrieden bin ich mit dem unglaublichen Engagement in der Stadt. Auch in der Stadtverwaltung arbeiten an den Schaltstellen Menschen bis an die Grenze der Belastbarkeit.

6) Es wurden zur Eindämmung der Krise drastische Maßnahmen beschlossen: Welche Schließung oder Absage trifft Ulm Ihrer Meinung nach am stärksten?

Das ist eine Frage, die jeder anders beantwortet. Am meisten beschäftigen mich die Sorgen derer, die um ihren Arbeitsplatz fürchten oder um das Überleben ihres Betriebes kämpfen. Vieles kann man in einer solchen Krise auch mal ertragen, aber Existenzängste sind schon nochmals eine andere Dimension.

7) Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Die Bürgerschaft, die Unternehmen und viele ehrenamtlich Engagierte können eine gute Bilanz vorweisen. Der Virus und damit die Krise sind aber nicht überstanden! Wenn wir jetzt mit unseren Bemühungen nachlassen, setzen wir diese gute Bilanz auf ́s Spiel. Vor allem mit den Lockerungen muss eine hohe Disziplin einher gehen, nur dann können wir weitere Schritte in Richtung Normalität gehen.

8) Wie sieht es mit dem medizinischen Personal aus? Wenn sich die aktuelle Situation verschlimmern würde, wäre Ulm vorbereitet?

Die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen haben sich schnell auf die Lage eingestellt und machen eine engagierte und sehr professionelle Arbeit. Das ist auch den Beschäftigten zu verdanken. Deshalb bin ich mir sicher, dass nicht nur Ulm, sondern die gesamte Region vorbereitet wäre, sollte sich die Lage wieder verschlechtern.

9) Gibt es rückblickend etwas, das Sie anders gemacht hätten?

Es gibt vieles, was wir aus der Krise lernen können. Wie viele Verantwortliche frage ich mich in dieser Zeit der Dynamik und notwendigen schnellen Entscheidungen ständig, wäre nicht doch Entscheidung A besser gewesen als B…. Aber Aufarbeiten und Bilanz ziehen müssen wir, wenn die Krise überwunden ist.

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