Eine sich unkontrolliert bewegende chinesische Weltraumrakete, die am Samstag oder Sonntag in die Erdatmosphäre eintreten soll, sorgt für Nervosität: Das US-Verteidigungsministerium erklärte, es wolle die Rakete vom Typ Langer Marsch nicht abschießen. „Wir können eine Menge Dinge tun. Aber wir haben derzeit keinen Plan, sie abzuschießen“, sagte Verteidigungsminister Lloyd Austin. China versicherte, es bestehe nur ein „extrem geringes“ Risiko von Schäden auf der Erde.
Die Rakete hatte vor gut einer Woche das erste Modul einer neuen chinesischen Raumstation ins All gebracht. Nach der Trennung von dem Bauteil begann sie, die Erde in einer unregelmäßigen Flugbahn zu umkreisen und verliert seitdem unkontrolliert an Höhe.
Austin zufolge rechnet das Pentagon am Samstag oder Sonntag mit dem Eintreten in die Erdatmosphäre. Eine exakte Absturzstelle sei schwer vorherzusagen. „Wir hoffen, dass sie an einem Ort landet, wo sie niemandem schadet.“ Weil etwa 70 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind, ist eine Landung im Meer am wahrscheinlichsten. Ein Absturz in bewohntem Gebiet oder auf ein Schiff ist jedoch nach Angaben von Experten nicht ausgeschlossen.
Indirekt warf der US-Verteidigungsminister China fahrlässiges Handeln vor: „Ich denke, das spricht für die Tatsache, dass es für diejenigen von uns, die im Weltraum operieren, eine Anforderung gibt oder geben sollte, in einem sicheren und durchdachten Modus zu arbeiten“, sagte Austin.
China dagegen versuchte, die Wogen zu glätten: Die Wahrscheinlichkeit von Störungen oder Schäden „im Flugverkehr oder am Boden“ sei „extrem gering“, sagte am Freitag ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. „Auf Grund der Bauart dieser Rakete wird die Mehrheit der Komponenten beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verbrennen oder zerstört werden.“ Die Behörden „werden die Öffentlichkeit zeitnah über die Entwicklungen informieren“, kündigte der Sprecher zudem an.
Es ist nicht das erste Mal, dass die chinesische Raumfahrtbehörde mit massiven Problemen kämpft. 2018 zerbrach ein Weltraumlabor bei seinem Wiedereintritt in die Atmosphäre. China bestritt jedoch, die Kontrolle verloren zu haben.
Der Bau einer eigenen Raumstation ist zentraler Bestandteil von Chinas ehrgeizigem Weltraumprogramm. Der Betrieb soll im kommenden Jahr aufgenommen werden.
Die nun durchs All „taumelnde“ Rakete hatte das Kernmodul „Tianhe“, zu deutsch etwa „himmlische Harmonie“, zu der im Bau befindlichen chinesischen Raumstation „Tiangong“ („Himmlischer Palast“) gebracht. 2022 soll die Raumstation betriebsbereit sein. Zuvor sind noch etwa elf Raummissionen geplant, im Zuge derer weitere Module ins All gebracht und montiert werden sollen.
Geplant ist, dass die chinesische Raumstation nach ihrer Inbetriebnahme in niedriger Erdumlaufbahn auf rund 400 bis 450 Kilometern Höhe verbleibt. Es wird mit einer Nutzungsdauer von etwa 15 Jahren gerechnet. Die fertige Station wird der sowjetischen „Mir“-Station ähneln, die ab den 1980er Jahren bis 2001 die Erde umkreiste.
Eine internationale Nutzung wie bei der Internationalen Raumstation ISS ist nicht geplant. Peking hat jedoch erklärt, offen für ausländische Kooperation in der Weltraumforschung zu sein. Die Europäische Weltraumbehörde ESA hat bereits Astronauten zur Ausbildung nach China geschickt, damit diese auf der „Tiangong“ arbeiten könnten.
Quelle: AFP