Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche stellt die deutsche Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 nicht infrage, hält sie aber nur mit großen Anstrengungen für erreichbar. „Das Klimaziel 2045 gilt, aber es ist verdammt ambitioniert“, sagte die CDU-Politikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe). „Die Transformation ist hochkomplex, sie verläuft nicht linear.“
Die schwarz-rote Koalition hatte 2021 das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen, nachdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, dass der aktuelle Reduktionspfad und der damit verbundene hohe CO2-Ausstoß vor 2030 den zukünftigen Generationen ein zu geringes CO2-Budget übriglässt. Die Bundesregierung hat den linearen Reduktionspfad selbst gewählt, theoretisch möglich wäre aber auch, früh deutlich mehr CO2 einzusparen, um auch nach 2045 noch ein Restbudget übrig zu haben.
Trotz der Einschätzung des Internationalen Gerichtshofs vom Mittwoch, dass Staaten das Handeln von Privatpersonen und Unternehmen zur Erreichung der Klimaziele regulieren müssen, warnt Reiche vor Überregulierung. „Man kann nicht jedem Akteur, ob Unternehmen oder Privathaushalt, jeden einzelnen Schritt vorschreiben“, sagte die CDU-Politikerin. Sie verwies auf das Gebäudeenergiegesetz ihres Vorgängers Robert Habeck (Grüne), das für viel Unmut gesorgt hatte. „Ohne die Bereitschaft von Hausbesitzern, zu sanieren oder in ein neues Heizungssystem zu investieren, wird es nicht gehen“, so Reiche. „Leider fühlten sich viele Hauseigentümer in der letzten Legislaturperiode zu recht überfordert“, kritisierte sie. „Der starke Fokus der Ampelregierung auf Einzelbestimmungen im Gebäudeenergiegesetz hat dem Thema eher geschadet als geholfen.“
Die Neufassung des Gesetzes unter Schwarz-Rot werde „verständlicher, bürokratieärmer und technologieneutraler“, kündigte Reiche an. Gleichzeitig müssten die Kommunen den Bürgern klimaverträgliche und attraktive Heizungslösungen ermöglichen, etwa über die Fernwärme. „Ohne eine gute und solide Wärmeplanung vor Ort wird es nicht gelingen, die ehrgeizigen Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen“, mahnte Reiche.
Die Ministerin lässt derzeit den Stand und die Ziele der Energiewende untersuchen. Dieses „Monitoring“ soll ihr Ende August vorliegen. „Der Ausbaupfad der erneuerbaren Energien und der Netzausbau müssen synchronisiert werden“, verlangte Reiche. „Betreiber von Anlagen Erneuerbarer Energien müssen mehr Systemverantwortung übernehmen.“ Das bedeute zum Beispiel, dass die Einspeiser Baukostenzuschüsse selbst übernehmen und für die Netzbetreiber steuerbar sein müssten. „Sie sind Teil des Gesamtsystems und müssen hierzu einen Beitrag leisten, auch zu den Kosten“, so Reiche.
Zugleich warb sie für „maximale Offenheit für alle Technologien“. Das gelte auch für die Abscheidung und unterirdische Verpressung von Kohlendioxid mit der sogenannten CCS-Technik. „Es ist unser Ziel, das CCS-Gesetz noch im Sommer im Kabinett zu beschließen“, kündigte Reiche an. „Die Industrie braucht jetzt dringend Klarheit, damit sie investieren kann.“
Der Weltklimarat (IPCC) bewertet CCS als wichtiges Instrument, um mit schwer vermeidbaren Emissionen, wie beispielsweise in der Zement-, Stahl- oder Chemieindustrie, umzugehen. Zugleich warnt der IPCC, dass Pläne zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre die Anreize zur nötigen sofortigen Emissionsminderung verwässern könnten. Da CCS-Projekte sich bislang als teuer und schlecht skalierbar erweisen, bleibt die Technologie zudem weit hinter den geplanten Kapazitäten zurück. Eine besondere Herausforderung ist, dass die gespeicherten Emissionen in den Endlagerstätten dauerhaft daran gehindert werden müssen, wieder in die Atmosphäre auszutreten, da sie sonst mit etwas Verzögerung dennoch zur Erderhitzung beitragen.
dts Nachrichtenagentur