Der frühere israelische Premierminister Ehud Olmert hat die Kriegsführung seines Nachfolgers Benjamin Netanjahu im Gazastreifen scharf verurteilt und ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert. „Es reicht, wir haben genug getötet, wir haben genug zerstört“, sagte Olmert dem „Spiegel“. Israel habe seine militärischen Ziele längst erreicht – „spätestens mit der Tötung von Yahya Sinwar“, dem Hamas-Anführer in Gaza im Oktober 2024.
Der anhaltende Krieg sei aus seiner Sicht nicht nur strategisch sinnlos, sondern „ein illegitimer Krieg, der aus den persönlichen politischen Interessen des Premierministers geführt wird“. Olmert warf Netanjahu vor, „Verbrechen gegen den Staat Israel und das israelische Volk“ zu begehen, und fordert, ihn deshalb vor Gericht zu stellen – jedoch nicht in Den Haag, sondern in Israel.
Olmert beklagte, Israel habe mit dem Bruch der Waffenruhe im März 2025 „die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft verloren“ und damit „alle Legitimität eingebüßt“. Es gebe in Gaza „viele Ereignisse, die man als Kriegsverbrechen verstehen kann“.
Mit Blick auf den Umgang mit den Geiseln der Hamas kritisierte Olmert das israelische Vorgehen nach dem 7. Oktober 2023 als moralisches und sicherheitspolitisches Versagen. Damals seien 1.200 Menschen brutal ermordet und 251 entführt worden: „Aus Arroganz und Selbstgefälligkeit haben wir sie den Mördern ausgeliefert.“ Laut Olmert habe Israel die Möglichkeit gehabt, sämtliche Geiseln noch vor Beginn der Bodenoffensive im Herbst auszutauschen: „Die Stimmung im Land hat es unmöglich gemacht, darüber nachzudenken.“
Olmert warnte zudem vor Plänen der israelischen Regierung, im Süden Gazas eine sogenannte „humanitäre Stadt“ zur späteren Emigration Hunderttausender Palästinenser zu errichten: „Das ist ein widerwärtiger Plan“, der an ein Konzentrationslager erinnere. Ein solcher Vorstoß sei „ein Verbrechen – oder mindestens die Anstiftung zu einem Verbrechen“.
Als einzige Lösung sieht Olmert eine internationale Übergangsverwaltung in Gaza und langfristig eine Zwei-Staaten-Regelung. Nur wenn die Israelis „im Alltag spüren, welchen Schaden ihnen eine fehlende Lösung zufügt“, könne sich die Haltung im Land ändern. Ein internationaler Boykott sei möglich, sagte Olmert – und warnte: „Ich rufe zu nichts auf. Ich befürchte nur, dass es passieren wird.“
dts Nachrichtenagentur