Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Hoffmann hat die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, verteidigt und zu ihrer Wahl aufgerufen. „Frau Brosius-Gersdorf ist keine Kandidatin der Union, aber eine respektable Kandidatin der SPD – und ganz sicher keine linksradikale Aktivistin“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagausgabe).
„Die Wahl von Frau Brosius-Gersdorf ist kein Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens.“ Sie habe „unmissverständlich in verschiedenen juristischen Schriften klargestellt, dass das Grundrecht auf Leben nicht erst ab Geburt gilt, sondern bereits dem Embryo zusteht“.
Hoffmann zufolge habe Brosius-Gersdorf ebenso klargestellt, dass, je länger eine Schwangerschaft bestehe, das Recht des Ungeborenen auf Austragung bis zur Geburt umso stärker wiege. „Diese Aussagen sind so eindeutig, dass wir Frau Brosius-Gersdorf mittragen können, um unseren eigenen bürgerlichen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht durchzusetzen.“
Kritiker von Brosius-Gersdorf stören sich aber an der Menschenwürdedefinition der Kandidatin. Dies gilt auch für Teile der CSU: So hatte der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, zu Beginn der Woche den „Nürnberger Nachrichten“ gesagt, dass er „beim Thema Lebensschutz“ manche Aussagen von Brosius-Gersdorf – etwa zur „Abwägungsfähigkeit der Menschenwürde“ – aufgrund seines christlichen Wertefundaments „für schwierig“ halte.
Über die am Freitag anstehende Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht ist im politischen Berlin eine heftige Debatte entbrannt. Zum einen, weil die schwarz-rote Koalition auch mit den Stimmen der Grünen nicht allein die nötige Zweidrittelmehrheit zusammenbekommt. Zum anderen, weil es vor allem mit Blick auf die Positionen der von der SPD nominierten Potsdamer Professorin Brosius-Gersdorf auch innerhalb der Union Widerstand gibt. Die Union schlägt den bisherigen Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, vor. Die SPD hat neben Brosius-Gersdorf noch Ann-Katrin Kaufhold nominiert.
Die 16 Richter am Bundesverfassungsgericht werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Dort ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit bei der Wahl nötig. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass die für eine solche Mehrheit nötigen Parteien untereinander informell einen Verteilungsschlüssel vereinbarten, der sich an ihrer Größe orientierte. Da Union, SPD, Grüne (und bislang FDP) nach der Bundestagswahl gemeinsam auf keine Zweidrittelmehrheit mehr kommen, benötigen sie bei der Wahl von Verfassungsrichtern im Bundestag außerdem die Stimmen der Linken – oder der AfD. Gelingt dem Bundestag die Wahl von Verfassungsrichtern nicht, kann stattdessen der Bundesrat die jeweiligen Posten in Karlsruhe besetzen. Dort erreichen die Landesregierungen mit Beteiligung von Union, SPD, Grünen und FDP auch weiterhin allein eine Zweidrittelmehrheit.
dts Nachrichtenagentur