In der Union hält man den von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegten Gesetzesentwurf zum Wehrdienst für unzureichend.
„Die Vorschläge von Pistorius für den neuen Wehrdienst werden seiner eigenen sicherheitspolitischen Bedrohungsanalyse nicht gerecht“, sagte der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwochsausgabe).
„Die Einschätzung des Ministers ist, dass Russland in vier bis fünf Jahren militärisch in der Lage sein wird, in Europa einen großräumigen Krieg zu führen“, äußerte Röttgen. „In der Nato hat Deutschland zugesagt, bis 2035 die Zahl der aktiven Soldaten auf 260.000 und die der Reservisten auf 200.000 zu erhöhen. Die stehenden Streitkräfte umfassen zur Zeit 170.000 Zeit- und Berufssoldaten.“ Es fehlten also 90.000 Soldaten bis 2035.
„Angesichts des enormen Aufholbedarfs in kurzer Zeit ist es unerlässlich, dass in dem Gesetz klare Zielmarken formuliert werden, die zu bestimmten Zeitpunkten zu erreichen sind“, sagte Röttgen der FAZ. „Es muss zudem ein Zeitpunkt festgelegt werden, wann im Falle der Nicht-Erreichung der Ziele der im Koalitionsvertrag vereinbarte Übergang von der Freiwilligkeit zur Wehrpflicht stattfindet.“ Dieser Übergang müsse geknüpft an Voraussetzungen schon in diesem Gesetz geregelt werden. „Deutschland kann sich nicht mehr leisten, weiter Zeit zu vergeuden“, sagte Röttgen. „Wir brauchen jetzt nachprüfbare, klare Schritte, um verteidigungsfähig zu werden.“
Am Montagabend hatte der Verteidigungsminister der SPD-Fraktion sein Wehrdienstmodell vorgestellt. Es basiert zunächst auf Freiwilligkeit: Alle Jugendlichen, die nach dem 31. Dezember 2007 geboren wurden, werden von der Truppe angeschrieben. Die Männer müssen einen Fragebogen zur körperlichen Verfassung ausfüllen, die Frauen können das tun. Schrittweise sollen dann auch alle jungen Männer gemustert werden. Der freiwillige Wehrdienst wird wohl sechs Monate dauern. Sollten sich über einen längeren Zeitraum zu wenige Personen freiwillig melden, oder sollte sich die sicherheitspolitische Lage drastisch verschärfen, können Bundesregierung und Bundestag die verpflichtende Einberufung von Wehrpflichtigen beschließen. Ein neues Gesetz braucht es dafür nicht. Konkrete Vorgaben für einen automatischen Übergang zur Pflicht fehlen aber.
In der SPD hatte es Widerstand gegeben gegen Pflichtelemente beim Wehrdienst. Pistorius geht davon aus, dass der freiwillige Dienst so attraktiv sein werde, dass der Pflichtmechanismus nicht ausgelöst werden muss. Der neue Wehrdienst soll nach der Sommerpause vom Kabinett beschlossen und vom Bundestag beraten werden. Beginnen soll er zum Jahresbeginn 2026.
dts Nachrichtenagentur