Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner hat scharfe Kritik an den deutsch-russischen Beziehungen geübt – und entsprechend eigene Treffen mit Putin-Getreuen an den offiziellen Kanälen vorbei verteidigt. “Wir haben eine Form von Kommunikation, die kurz vor Kriegserklärung steht”, sagte Stegner dem “Spiegel”. “In einer Zeit, in der alle Verbindungen zu Russland reißen, halte ich daher jeden Kontakt für sinnvoll.”
Stegner und andere hochrangige Politiker wie der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hatten an mehreren Treffen mit russischen Gesandten in Aserbaidschan teilgenommen. Stegner verteidigte die Gespräche in Baku als Bemühungen, einander weiter zuzuhören. “Ich warne davor, dass sich Diskussionen so verengen, dass man mit bestimmten Leuten gar nicht mehr reden darf”, so Stegner.
Stegner ist als Abgeordneter Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums und hat als solcher Zugang zu Geheimdienstinformationen. Mehrere Abgeordnete zeigten sich empört über die nicht angezeigte Reise nach Baku. Kritik an einer Einflussnahme durch den Kreml weist Stegner dennoch zurück. Er habe die Reise selbst bezahlt, keine vertraulichen Informationen geteilt und sehe keinen Grund, eine inoffizielle Reise offenzulegen. Zugleich habe er den russischen Angriff auf die Ukraine in den Gesprächen stets scharf verurteilt.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter zeigte sich etwa entsetzt über das Treffen mit russischen Vertretern. “Das Treffen von Stegner und Co. in Aserbaidschan ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Deutschland und Europa”, sagte Hofreiter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).
Gespräche – auch mit Autokraten – könnten wichtig und sinnvoll sein, sie seien auch immer Teil von Konfliktlösungen, so Hofreiter weiter. “Doch dieser Umgang mit hochrangigen Kreml-Vertretern zeugt ausschließlich von Naivität und der blinden Hoffnung wieder zu billigem Öl und Gas aus Russland zurückzukehren. Das ist ein massives Sicherheitsrisiko für Deutschland und unsere europäischen Partner”, kritisierte er.
Stattdessen müsse mit Putin auf höchster Ebene aus einer Position der Stärke heraus verhandelt werden. Auch Hofreiter forderte Konsequenzen für Stegner: “Mit seinem Verhalten disqualifiziert sich Stegner dafür, erneut Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zu werden, wo er Zugang zu geheimsten Informationen hat.” Er appellierte: “Ich erwarte von Merz und Klingbeil, diese Treffen umgehend einzustellen und die Beteiligten zur Verantwortung zu ziehen”, so Hofreiter.
Den Bundeskanzler forderte er auf, den Umgang mit Putin in die eigenen Hände nehmen in enger Abstimmung mit europäischen Partnern.
Der stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienstkontrollgremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), griff Stegner ebenfalls an. “Das PKGr warnt intensiv vor der hybriden Einflussnahme Russlands gegen Deutschland und insbesondere auch relevante Multiplikatoren und Entscheidungsträger”, sagte Kiesewetter dem “Tagesspiegel” (Samstagausgabe). “Deshalb wird sich Herr Stegner hier einige Fragen gefallen lassen müssen.”
Der SPD-Außenpolitiker gab in einer ersten Reaktion auf einen gemeinsamen Bericht des ARD-Magazins “Kontraste” sowie der Wochenzeitung “Die Zeit” an, dass es sich Mitte April um eine private Reise in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gehandelt habe. “Solche Treffen sind nicht privat, sie stehen im Widerspruch zur außen- und sicherheitspolitischen Strategie Deutschlands”, erklärte dagegen Kiesewetter: “Damit wird Russland ein Einfallstor für Manipulation und Beeinflussung gegeben.”
dts Nachrichtenagentur