Ökonom Michael Hüther fordert eine stärkere Fokussierung auf die deutschen Wirtschaftsprobleme. “Wir erleben gerade den perfekten Sturm auf die deutsche Volkswirtschaft: Die Anzahl der Erwerbspersonen schrumpft aus demographischen Gründen, die Globalisierung trifft uns besonders hart und wir haben Schwierigkeiten, die Transformation zur Klimaneutralität gut zu organisieren”, sagte der Chef des arbeitgebernahen Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dem “Stern”.
Er forderte einen klaren Kurs bei der Energiewende: “Für den Weg zur Klimaneutralität braucht es eine wirksame Strategie, die dann nicht ständig zerredet werden darf.” Der Wirtschaftswissenschaftler kritisierte unter anderem den von Friedrich Merz geäußerten Zweifel am grünen Stahl, den deutsche Stahlhersteller produzieren wollen, oder der von Merz geäußerten Missbilligung von Windrädern.
Hüther zweifelte daran, dass die demokratischen Parteien die richtigen Antworten auf die aktuellen Probleme haben: “Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob die Union wirklich konzeptionell gut vorbereitet ist auf die Herausforderungen.” Zu möglichen Koalitionen sagte Hüther: “Schwarz-Rot mit den Sozialdemokraten Boris Pistorius, Jörg Kukies und Lars Klingbeil – da kann ich mir was Gutes vorstellen.”
Zum Wirtschaftsprogramm der AfD mit der Forderung, die EU zu verlassen, sagte der Ökonom: “Das ist alles höchst gefährlich und würde der deutschen Wirtschaft schaden. Ohne die EU würden wir schlechter dastehen, da braucht man nur nach Großbritannien zu schauen.”
Zur Schuldenbremse sagte Hüther: “Eine neue Regierung wird die Schuldenbremse überprüfen müssen mit Blick auf den Investitionsbedarf bei der Infrastruktur und den Netzen. Das kriegen wir so nicht hin.”
Zu der Drohung des US-Präsidenten Donald Trump, Europa mit Strafzöllen zu belegen, sagte der IW-Chef: “Ich wundere mich immer, dass keiner Donald Trump mal erklärt, warum möglichst freier Handel so vorteilhaft ist.” Zu Trumps Kritik an Europa entgegnete Hüther: “Trump erzählt dieselben Räuberpistolen wie vor acht Jahren.” Dabei sei europäisches Selbstbewusstsein angebracht: “Mit 450 Millionen Menschen hat die EU den größten Binnenmarkt, das ist für die Amerikaner nicht uninteressant.”
dts Nachrichtenagentur