Altbundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt ihre Entscheidung, trotz der russischen Krim-Annexion 2014 das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 nicht gestoppt zu haben.
“Ich habe es als eine meiner Aufgaben gesehen, für die deutsche Wirtschaft billiges Gas zu bekommen”, sagte Merkel dem “Spiegel”. “Wir sehen jetzt, welche Folgen teure Energiepreise für unser Land haben.” Die CDU-Politikerin verwies auch auf die damalige politische Lage: “Für den Abbruch des Gashandels mit Russland hätte ich keine politischen Mehrheiten gehabt und schon gar keine Zustimmung in der Wirtschaft.”
Dass sie damit mittelbar zur Finanzierung von Russlands Feldzug gegen die Ukraine beigetragen habe, weist Merkel zurück: “Russland hat den Krieg begonnen, ohne dass jemals Gas durch Nord Stream 2 geflossen ist. Heute füllen andere Länder Putins Kriegskasse. So wäre es auch damals gekommen, wenn wir alle wirtschaftlichen Verbindungen abgebrochen hätten.”
Nord Stream 2 habe sie auch “politisch für sinnvoll” gehalten, stellte Merkel klar: “Wie konnte man in der neuen Ordnung nach dem Kalten Krieg mit einem wie Putin, den manche Historiker als Revisionisten bezeichnen, Verbindungen halten? Durch den Versuch, ihn am Wohlstand teilhaben zu lassen.” Obwohl dieser Versuch offenkundig scheiterte, wollte Merkel die Pipeline ausdrücklich nicht als Fehler bezeichnen: “Weil ich all meine Kraft eingesetzt habe, um die Situation zu verhindern, zu der es jetzt gekommen ist.”
Merkel verweist auf die Verhandlungen von Minsk 2015, die seinerzeit zu einem brüchigen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine führten: “Damals schien es mir nicht sinnvoll, zugleich zu sagen, ökonomisch kappen wir alle Verbindungen, die auch Putin wichtig sind.”
Für die Wahl des Zeitpunkts möglicher diplomatischer Initiativen zwischen Moskau und Kiew verlangt die frühere Regierungschefin ein Mitspracherecht Deutschlands. Wann der rechte Moment gekommen sei, “kann nicht allein von der Ukraine entschieden werden”, so Merkel. “Wenn wir aus gemeinsamen Interessen die Ukraine unterstützen, müssen wir auch alle Schritte zur Beendigung des Krieges gemeinsam gehen.”
dts Nachrichtenagentur