Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat das Erscheinungsbild der Ampel-Regierung scharf kritisiert. “Wir drohen, Teile der Bevölkerung zu verlieren. Der Frust im Land wächst und das Vertrauen in Politik und Staat sinkt”, sagte Weil dem Nachrichtenportal T-Online.
In so einer Lage müsse die Regierung Verlässlichkeit und Sicherheit ausstrahlen. “Zuletzt hat die Ampel nicht selten das Gegenteil getan und ihren Streit auch um zweitrangige Themen nach außen getragen.” Weil nahm dabei ausdrücklich seine eigene Partei nicht aus: Seine Kritik gelte für “SPD, Grüne und FDP gleichermaßen”.
Der dienstälteste SPD-Ministerpräsident widersprach in dem Zusammenhang SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der nach der Europawahl sagte, die Konflikte in der Ampel ließen sich nicht durch “Kabinenpredigten” befrieden. “Für das Innenverhältnis mag das stimmen, für den Außenauftritt ist das aber nicht zu empfehlen.” Die Menschen hätten kein Interesse daran, Parteien beim Streiten zuzusehen, sondern wollten wissen, wie sich Politik auf ihr Leben auswirke. “Wenn ich mir die monatelange Diskussion um den Haushalt ansehe, ist für mich klar: Die Ampel muss ihr Auftreten und ihre Kommunikation verbessern.”
Zugleich warnte der Sozialdemokrat vor einem vorzeitigen Koalitionsende: “Ich glaube nicht, dass wir das Land stabilisieren, wenn wir jetzt Neuwahlen ausrufen.” Die Haushaltseinigung habe gezeigt, dass sich die Ampel zusammenraufen könne. Die Bundesregierung habe zudem viele Erfolge vorzuweisen. Nur gehe diese gute Arbeit im “Dauerzoff der Ampel” unter.
Außerdem geht Weil nach der historischen Niederlage bei der Europawahl mit seiner Partei hart ins Gericht. “Offenbar machen wir etwas falsch, sonst hätten wir keine solche Wahlschlappe erlebt”, sagte der SPD-Politiker. Weil kritisiert zudem die schleppende Aufarbeitung seitens Bundes-SPD. “Nach so einem Ergebnis darf man nicht zur Tagesordnung übergehen.” Erste Analysen gingen in die richtige Richtung, aber es gebe noch keine konkreten Konsequenzen. “Wenn wir das bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr verhindern wollen, müssen wir jetzt die Lehren ziehen”, warnte der Sozialdemokrat.
Dazu gehöre, dass sich die Sozialdemokratie “noch stärker und intensiver als bisher um die viel zitierte arbeitende Mitte” bemühe. Wie genau, müsse die Partei nach der Sommerpause intern klären und umsetzen. Klar sei aber, dass die SPD offenbar derzeit nicht den richtigen Ton treffe, um etwa junge Menschen oder Arbeiter zu überzeugen.
Einem Wechsel an der Parteispitze erteilte der dienstälteste Ministerpräsident der SPD jedoch eine Absage. Infolge der Wahlniederlage geriet unter anderem Generalsekretär Kevin Kühnert parteiintern unter Druck. Weil stärkte Kühnert nun demonstrativ den Rücken: “Das habe ich schon oft erlebt: Wenn eine Wahl schlecht läuft, waren die Plakate schuld und damit der Generalsekretär, der sie drucken ließ.” Das sei ihm “zu billig”, solche Personaldebatten lenkten oft vom eigentlichen Problem ab. Und das habe mit Inhalten und Kommunikation zu tun.
dts Nachrichtenagentur