Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Ergebnis der Europawahl als “Einschnitt” bezeichnet. Es zeige, dass “ganz offenbar angesichts all der vielen Krisen vielen die Zuversicht abhandengekommen ist”, sagte Scholz bei seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Bundestag.
“Es hat eine klare Auswirkung, dass so viele Krisen gleichzeitig Vertrauen und Sicherheitsgefühl in Frage gestellt haben. Das gilt für Europa. Das gilt auch für Deutschland und dem müssen wir uns stellen.” Die Bürger hätten bei der Europawahl am meisten eine Partei gewählt, die die europäische Perspektive in Frage stelle, so der Kanzler. “Ich sage es ganz klar: Europa ist für Deutschland eine zentrale nationale Aufgabe.”
Es gehe auch um Demokratie und Zusammenhalt in der Gesellschaft. “Wenn 25 Prozent derjenigen, die hier leben, diejenigen sind, gegen die gehetzt wird, dann ist das für Zusammenhalt und Demokratie eine Herausforderung”, sagte Scholz und kündigte an: “Wir werden das nicht tolerieren.”
Der Kanzler bestätigte vor den Beratungen im Europäischen Rat, dass er sich mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs der großen Parteienfamilien auf eine Nominierung von Ursula von der Leyen (CDU) für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin geeinigt hat. Zudem habe man sich darauf verständigt, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas EU-Außenbeauftragte werden soll und der frühere portugiesische Regierungschef António Costa den Posten des EU-Ratspräsidenten erhalten soll.
“Das ist aus meiner Sicht eine gute Besetzung und klare Entscheidung für eine gute europäische Zukunft.” Eine Hängepartie dürfe man sich in diesen schwierigen Zeiten nicht leisten, sagte er. Die Bürger erwarteten keinen Streit, sondern eine schnelle Arbeit der europäischen Institutionen.
Bei den Verhandlungen über die Schwerpunkte für die Europäische Union in den kommenden Jahren will Scholz die Sorgen um die innere und äußere Sicherheit berücksichtigen. Dabei gehe es um die Umsetzung der Asylrechtsreform, die Wettbewerbsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit der EU bei einer Erweiterung.
Mit Blick auf den Ukrainekrieg warf Scholz Putin vor, weiter auf Krieg und Aufrüstung zu setzen. Das werde an dessen “vermeintlichen Waffenstillstandsangebot” deutlich. “Das war nicht nur ein Waffenstillstand, nein, da stand auch noch drin, dass Gebiete, die die russischen Truppen noch gar nicht besetzt haben, auch noch hergegeben werden sollen von der Ukraine.” Wer glaube, dass die Ukraine das überleben würde und dass daraus ein dauerhafter Frieden für Europa werde, “der muss schon sehr viel Russia Today schauen”, sagte der SPD-Politiker. Nur Annäherung könne Frieden schaffen.
Scholz erklärte, die Europäische Union sei auch noch heute “das entscheidende Friedens- und Wohlstandsprojekt” für den Kontinent. “Sie ist wichtiger denn je und sie kann sich auf Deutschland verlassen.”
dts Nachrichtenagentur