Der Chef des Stahlkonzerns Salzgitter, Gunnar Groebler, hat die Bundesregierung für ihre Energiepolitik und ihren Zickzackkurs bei den öffentlichen Investitionen scharf kritisiert. “Fehlende Sicherheit ist der Hauptgrund für fehlende Investitionen. Und das ist gerade unser größtes Problem”, sagte Groebler dem Wirtschaftsmagazin Capital. “Infrastrukturprojekte werden an verschiedensten Stellen verzögert. Wir bräuchten hier mal einen Wumms, um das in der Sprache des Kanzlers zu sagen.”
Zugleich kritisierte der Konzernchef die hohen Strom- und Energiekosten in Deutschland sowie kurzfristige Belastungen gerade für stromintensive Industrien. So habe der Bund nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts kurzerhand die Befreiung der energieintensiven Unternehmen von der Netzentgeltumlage gestrichen – “heißt allein für die Salzgitter AG für das Jahr 2024 rund 30 Millionen Euro zusätzliche Kosten. Langfristige Planungssicherheit sieht anders aus”, so Groebler.
Die Zurückhaltung bei den Investitionen belastet auch das Geschäft des Stahlproduzenten im laufenden Geschäftsjahr. Erst vor wenigen Wochen hatte Groebler eine Umsatz- und Gewinnwarnung herausgegeben. Ein wichtiger Grund sei die Verzögerung beim Ausbau des geplanten Wasserstoffnetzes, über das künftig wichtige Industriezentren mit Wasserstoff versorgt werden sollen. Salzgitter will die dafür notwendigen Rohre produzieren. “Alles, wofür Stahl gebraucht wird, kommt – aber es kommt häufig langsamer als gedacht.”
Einer Konsolidierung der europäischen Stahlbranche durch Fusionen oder Übernahmen erteilte Groebler erneut eine Absage. Salzgitter habe heute einen Vorsprung vor allen Wettbewerbern beim Umstieg auf eine CO2-freie Stahlproduktion mit Wasserstoff, diesen Vorsprung wolle er durch einen Zusammenschluss mit einem Wettbewerber nicht gefährden. Zugleich forderte er aber Klarheit von Konkurrent Thyssenkrupp über das gemeinsam betriebene Stahlwerk HKM in Duisburg. “Wir beziehen von HKM wichtige Vorprodukte, die wir nicht so einfach ersetzen können. Hier brauchen wir Lösungsvorschläge.” Als größter Anteilseigner stehe Thyssenkrupp “in der Pflicht”.
Vor wenigen Wochen hatte der große, aber seit Jahren kriselnde Wettbewerber aus Essen angekündigt, seine Produktionskapazität pro Jahr um 2 bis 2,5 Millionen Tonnen Stahl zu reduzieren. Seither wird über eine Schließung des Stahlwerks HKM spekuliert.
Mit Blick auf das eigene Unternehmen schloss Groebler weitere Verkäufe von Unternehmenstöchtern nicht aus. Auf die Frage, ob etwa die Unternehmenstochter KHS, Nummer 2 auf dem Weltmarkt für Getränkeabfüllanlagen, sakrosankt sei, sagte Groebler: “Was ist in diesen Zeiten schon sakrosankt?” KHS sei heute eine hochprofitable Sparte, die den gesamten Konzern gegen die typischen Zyklen im Stahlgeschäft absichere. Trotzdem schaue man bei allen Beteiligungen, wer der beste Eigentümer für das Geschäft sei.
dts Nachrichtenagentur