Die Bundestagswahl in Berlin muss wegen schwerer Pannen in 455 Wahlbezirken wiederholt werden. Laut eines am Dienstag verkündeten Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ist ein entsprechender Beschluss des Bundestages vom 10. November 2022 im Ergebnis “überwiegend rechtmäßig”.
Der Bundestag habe das Wahlgeschehen aber “unzureichend aufgeklärt”, da er auf die gebotene Beiziehung und Auswertung der Niederschriften der einzelnen Wahlbezirke verzichtet habe. Dies habe das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nachgeholt, so die Karlsruher Richter. Daraus ergebe sich, dass einerseits die Bundestagswahl in weiteren 25 Wahlbezirken des Landes Berlin einschließlich der zugehörigen Briefwahlbezirke für ungültig zu erklären und andererseits die Ungültigerklärung der Wahl in sieben Wahlbezirken und deren Briefwahlbezirken im Beschluss des Deutschen Bundestages aufzuheben sei. Daneben führten erst nach der mündlichen Verhandlung bekannt gewordene Besonderheiten der Auszählung von Briefwahlstimmen zur Ungültigerklärung der Bundestagswahl in weiteren sechs Briefwahlbezirken und den sechs mit diesen verbundenen Urnenwahlbezirken. Die Wiederholungswahl muss als Zweistimmenwahl, also mit Erst- und Zweitstimme, durchgeführt werden. Hintergrund des Urteils ist eine Wahlprüfungsbeschwerde der Unionsfraktion im Bundestag. Diese hatte sich gegen einen Beschluss der Ampel-Koalition gewandt, die Wahl nur in 431 von insgesamt 2.256 Wahlbezirken zu wiederholen. Wegen zahlreicher Probleme waren gegen die Bundestagswahl im Land Berlin beim Bundestag insgesamt 1.713 Wahleinsprüche erhoben, darunter auch ein Einspruch des Bundeswahlleiters. Die Wahl hatte damals parallel zur Abgeordnetenhauswahl sowie zum Berlin-Marathon stattgefunden – es kam zu langen Schlangen und Wartezeiten, auch wegen der Ausgabe falscher Stimmzettel. Das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt Wahlfehler fest – sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung. So sei Ausstattung der Wahlräume mit Wahlkabinen und Stimmzetteln nicht in einem Umfang veranlasst worden, der einen möglichst reibungslosen Wahlablauf ohne überlange Wartezeiten ermöglicht hätte. Zudem wurden Wahlberechtigten teilweise Stimmzettel anderer Wahlkreise ausgehändigt.
Die zeitweilige völlige Schließung von Wahllokalen stelle ebenfalls einen Wahlfehler dar. Die Wahlfehler seien weitgehend mandatsrelevant, so das Verfassungsgericht. Die Abgeordnetenhauswahl wurde bereits im Februar 2023 wiederholt. In Berlin laufen schon länger die Vorbereitungen für eine Teilwiederholung der Bundestagswahl, die jetzt voraussichtlich am 11. Februar 2024 stattfinden wird.
Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die Teilwiederholung deutliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Parlaments haben wird. Vor allem die Linkspartei sowie die Wagenknecht-Gruppe können wohl aufatmen, da die zwei Berliner Direktmandate der Linken Experten zufolge wohl nicht in Gefahr sind, da die Wahl nur in einem begrenzten Rahmen wiederholt werden muss. Sollte die Linke eines ihrer Direktmandate verlieren, würden alle über die Liste in den Bundestag eingezogenen Abgeordneten aus dem Parlament ausscheiden.
dts Nachrichtenagentur